Haus des Todes
mich, sondern nach vorn ausgestreckt. Mein Herz rast, und ich möchte in das Zimmer stürmen, Octavia hochheben und vor Begeisterung laut aufschreien. Doch ich unterdrücke mein Verlangen, bewahre Ruhe und bewege mich langsam hinein, schaue nach links und nach rechts, während ich damit rechne, dass wie vorhin plötzlich Caleb erscheint. Aber das tut er nicht, und als ich bei Octavia bin, gehe ich neben ihr in die Hocke und schenke ihr ein breites Lächeln.
»Hallo, Octavia«, sage ich. »Mein Name ist Theo.«
»Hallallallo«, sagt sie und erwidert mein Lächeln.
»Ist sonst noch jemand hier?«, frage ich sie, obwohl mir klar ist, dass ich von dem Sitz, auf dem sie festgeschnallt
ist, wahrscheinlich mehr Informationen bekomme als von ihr.
»Ladl ladl«, sagt sie, verzieht das Gesicht und läuft rot an, bevor sie sich wieder entspannt und einen Gestank absondert, der mir die Tränen in die Augen treibt.
»Mein Gott«, sage ich und trete zurück.
Dann rüttle ich Tabitha an der Schulter, worauf sie sich leicht bewegt. Ich schneide ihr die Fesseln durch und entferne das Klebeband von ihrem Mund, dann gehe ich zurück durchs Haus, überprüfe erneut die Zimmer und den Flur, das Wohnzimmer und den Weg, den ich reingekommen bin, vorbei an der Tomatensoße auf dem Boden. Jetzt verstehe ich auch, weshalb sie dort ist. Caleb hat so getan, als hätte er Octavia getötet. Ich vergewissere mich, dass die Türen abgeschlossen sind, und verriegle sie. Als ich überzeugt bin, dass sonst niemand mehr im Haus ist, gehe ich zurück ins Schlafzimmer. Und hebe Tabitha hoch. Sie ist schwerer, als ich es von so einer schlanken Person vermutet hätte, aber vielleicht bin ich auch nur schwächer, als ich dachte. Auf dem Weg zum Badezimmer beginnt mein von den Hundebissen lädiertes Bein zu schmerzen, und während ich Tabitha in der Dusche absetze, ist mein Rücken kurz davor, einen Bandscheibenvorfall zu erleiden. Ihre Augen öffnen sich noch ein Stückchen weiter, und als ich den Wasserhahn aufdrehe, zuckt sie zusammen. Nach zehn Sekunden wird das Wasser warm. Ich trete zurück, damit ich nicht nass werde. Tabithas Haare kleben ihr im Gesicht, die Klamotten haften an ihrer Haut, und sie hat den Blick zu Boden gerichtet.
Langsam hebt sie den Kopf und hält sich die Hände vors Gesicht.
»Ich bin wach«, sagt sie, obwohl sie nicht so klingt.
»Tabitha, mein Name ist Detective Inspector Theodore Tate«, sage ich laut, damit sie mich trotz des plätschernden Wassers hört. »Können Sie mich verstehen?«
»Mich verstehen«, wiederholt sie, während das Wasser von ihrem Gesicht spritzt.
»Tabitha? Wo ist Caleb?«
»Caleb«, sagt sie, »ist kein schlechter Mensch.«
»Wann war Caleb hier?«
»Er tut nur schlimme Dinge«, sagt sie und blinzelt heftig.
»Tabitha? Wann war er hier?«
»Weiß nicht.«
»Kommt er wieder zurück?«
»Weiß nicht«, sagt sie und sieht mich zum ersten Mal richtig an. »Wer sind Sie? Ein Cop?«
»Ja. Mein Name ist Theodore Tate.«
»Es war ein Unfall«, sagt sie. »Ich wollte das nicht.«
Sie lehnt sich mit dem Kopf gegen die Wand der Dusche und schirmt mit den Händen ihre Augen gegen das Wasser ab. Dann legt sie die Arme um die Beine und stützt ihr Kinn auf die Knie.
»Tabitha«, sage ich, und sie schaut zu mir auf. »Kommt Caleb wieder zurück? Wissen Sie, wo er ist?«
»Nein«, sagt sie und starrt auf ihre Füße. »Darüber hat er nichts gesagt.«
Ich trete in den Flur. Und während ich nach Octavia
schaue, überlege ich, wegen des Gestanks ein Fenster zu öffnen, aber ich möchte Caleb keine Einstiegsmöglichkeit bieten, auch wenn ich nicht glaube, dass er noch mal zurückkommt. Octavia ist wohlauf und hat offensichtlich genauso viel Freude an dem Gestank wie am Betrachten ihrer Finger. Ich nehme mein Handy und rufe Schroder an.
»Ich habe Octavia Stanton gefunden«, sage ich.
»Du hast was? Wo?«
»In Tabitha Jenkins’ Haus.«
»Was? Du … was? Was hast du da zu suchen? Geht es dem Mädchen gut? Und was ist mit den anderen? Was ist mit Cole?«
Ich bringe ihn auf den neuesten Stand und erkläre, dass ich mit Tabitha reden will, für den Fall, dass Caleb sich ihr anvertraut hat. Den wahren Grund nenne ich ihm nicht. Und Schroder glaubt mir.
»Es war ein glücklicher Zufall«, sage ich, »nichts weiter.«
»Du hast ein besonderes Talent für glückliche Zufälle, Theo. Klasse, dass du sie gefunden hast, ehrlich«, sagt er, und mich beschleicht das Gefühl, dass er den Kopf schüttelt
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