Haus des Todes
erstaunlich, wie leicht Fernseher geworden sind, seit er zuletzt einen besessen hat. Und wie flach. Er schaut sich die Nachrichten an. Es wird ein Bild von ihm eingeblendet, das aufgenommen wurde, als man ihn vor fünfzehn Jahren wegen Mordes verurteilt hat. Dann erscheint ein Foto von ihm und Lara mit Jessica in der Mitte, sie war damals sechs. Sie beide waren mit Jessica zu einer Kostümparty bei einer ihrer Freundinnen gefahren. Lara hatte in der Woche davor ein Kostüm für sie genäht, denn jedes Mal, wenn Jessica nach Hause kam, hatte sie gesagt, sie wolle sich als Maus verkleiden. Heimlich hatte Lara am Kostüm gewerkelt und Jessica versprochen, es werde am Tag der Party fertig sein. Und so war es dann auch. Es sah toll aus mit dem Schwänzchen und den runden Ohren, alles aus dem grauen Laken, das Lara extra dafür gekauft hatte. Bei seinem Anblick fragte Jessica, was es darstellen solle. Eine Maus, erklärten sie ihr. Doch Jessica war enttäuscht. Es sieht überhaupt nicht aus wie eine Computermaus , hatte sie gesagt, und es wurde
klar, wo das Problem lag. Sie fing an zu weinen, doch nachdem sie ihr gut zugeredet hatten, war sie bereit, das Kostüm doch noch zu tragen. Und nach einer Portion Eis konnte sie für den Fotografen auch wieder lächeln. Später am Abend, als Jessica bereits schlief, hatten Caleb und Lara auf der Veranda eine Flasche Wein getrunken und über das Missverständnis gelacht.
Das Foto verschwindet und wird durch eines von James Whitby ersetzt, dann folgen weitere von den Menschen, die er in den letzten vier Tagen getötet hat. Und schließlich sein Polizeifoto. Neben einer aktuellen Abbildung von ihm.
Dieser Mann hat viel erlebt.
Die Reporterin, die über den Fall berichtet, steht vor dem Polizeirevier. Die Fassade ist beleuchtet, und die Wände sind schmutzig von den Auspuffabgasen der vorbeifahrenden Autos, von der Vogelscheiße und wahrscheinlich von dem ganzen Schwachsinn der Reporter, die so dicht davorstehen. Seitlich von der Kamera regt sich etwas: Es sind noch weitere Medienvertreter vor Ort. Für sie ist heute wahrscheinlich ein guter Tag. Aus wohlinformierten Quellen hat die Reporterin erfahren, dass die Polizei Mrs. Whitby und Richter Latham bewacht sowie weitere Personen, die vor fünfzehn Jahren mit dem Fall zu tun hatten. Außerdem, fährt sie fort, werden Dr. Stanton und seine zwei jüngsten Töchter immer noch gefangen gehalten. Melanie Stanton sei vor Kurzem gefunden worden und werde jetzt ärztlich untersucht. Als der Moderator im Studio sie fragt, ob Melanie Stanton
sexuell missbraucht worden sei, erklärt die Reporterin, die Polizei könne dazu noch keine Angaben machen.
Caleb wirft die Fernbedienung Richtung Fernseher. Seine Zielgenauigkeit lässt zu wünschen übrig, und das Gerät kracht an die Wand, wobei die Abdeckung des Batteriefachs abspringt und die Batterien in verschiedene Richtungen davonfliegen. Der Fernseher läuft immer noch. Also reißt er das Stromkabel aus der Wand. Was ist nur mit den Leuten los?
Er geht zurück ins andere Schlafzimmer, wo Stanton sich aufgesetzt hat und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrt. Mit einem Ruck reißt Caleb ihm das Klebeband vom Mund. Der Arzt zuckt nicht einmal.
»Wo … wo ist Octavia?«, fragt er, und seine Stimme klingt wie die einer Zeichentrickmaus, die eine Zeichentrickkatze darum bittet, sie nicht aufzufressen.
»Ich habe sie gehen lassen«, sagt Caleb.
»Wo ist sie?«
»Ich habe sie bei einer Freundin gelassen.«
»Geht es ihr gut?«, fragt Stanton mit zittriger Stimme.
Caleb zuckt die Achseln. »Ich schätze, das hängt davon ab, was du unter gut verstehst.«
Stanton fängt an zu husten und schluckt dann deutlich hörbar. Es klingt, als wäre er außer Atem, als er weiterspricht. »Was soll das heißen?«
»Es heißt, dass sie jetzt ihren Frieden hat.«
Stanton schüttelt langsam den Kopf. »Hast du … hast du … ihr was angetan?«
Caleb zuckt mit den Schultern. »Nicht, dass ich wüsste.«
»Antworte mir«, sagt der Arzt ruhig und dann lauter: »Antworte mir, du Stück Scheiße.«
»Hör zu, Doktor, es tut mir wirklich leid, was ich getan habe, aber ich habe mich gebessert«, sagt Caleb, während er die Handflächen seiner Hände nach oben dreht und leicht die Schultern hebt. »Ich bin ein guter Mensch und möchte wieder ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden. Verschreib mir ein paar Pillen, die ich regelmäßig nehmen muss, und eine halbe Stunde Therapie die Woche, und
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