Haus des Todes
schlafen.«
»Du musst aber«, sagt er, »denn ich möchte nicht, dass du mit deinem Dad redest, bevor das hier vorbei ist.«
»Vorbei?«
Er nickt. »Nimm sie, und wenn du aufwachst, wirst du bei deinem Dad sein, und alles ist gut«, erklärt er, und er hätte nicht gedacht, dass es ihm so schwerfällt zu lügen.
Er schüttelt die Orangensafttüte, aus der Octavia vorhin getrunken hat. Es ist vielleicht noch ein Schluck drin. Katy spült damit die beiden Tabletten hinunter, dann gibt Caleb ihr eine dritte. Das müsste sie für etwa zwölf Stunden außer Gefecht setzen. Und nichts wird sie in der Zwischenzeit aufwecken.
Auf der Windschutzscheibe haben sich ein paar Regentropfen gesammelt, aber momentan regnet es nicht.
Er fährt nach New Brighton hinein, einen Vorort am Strand, in dem er sich ganz gut auskennt; mit Anfang zwanzig hat er hier mal gewohnt. Damals hat er auch Lara kennengelernt. Es war am Geburtstag seines Mitbewohners, und Lara kam mit einer Freundin vorbei. Bei ihrer ersten Begegnung unterhielt sich Caleb ein paar Minuten mit ihr und vergaß sie dann wieder, bis sie ihm eine Woche später im Kino erneut über den Weg lief. Diesmal unterhielten sie sich ausführlicher, und er fragte sich, was sie nur an sich hatte, das ihm beim ersten Mal entgangen war. Er kam nie dahinter. Zwei Jahre nachdem sie sich kennengelernt hatten, wohnten sie in dem hübschen Häuschen, das ihm inzwischen nicht mehr gehört.
Er fährt mit heruntergelassenem Fenster und kann die salzige Meeresluft riechen. Für einen kurzen Moment wird der Regen stärker und trommelt plötzlich heftig auf das Wagenblech, doch genauso schnell hört er auch wieder auf. Caleb schafft es nicht mal rechtzeitig, den Knopf zum Schließen des Fensters zu drücken. Sein rechter Arm ist nass. Er kann hören, wie sich die Wellen an der Küste brechen. Er war lange nicht mehr am Strand. Er fährt parallel zu den Dünen. Ein Teil von ihm würde gerne anhalten, auf ihre Spitze klettern und von dort den Mond betrachten, der über dem Wasser schwebt, bevor er hinter den Wolken verschwindet. Doch er fährt weiter. Er biegt nach rechts, und einen halben Block später erreicht er das Haus, von dem Adam ihm erzählt hat. Mitten in den Vorgarten wurde ein Schild des Maklerbüros geschlagen. Besichtigung – Samstag 13:00–13:30 . Darüber
prangt das Bild eines grinsenden Mannes, der versucht, so zu wirken, als wäre er dein bester Freund.
Katy ist inzwischen eingeschlafen, ihr Kinn liegt auf ihrer Brust. Caleb öffnet den Kofferraum, hievt Stanton heraus und lässt ihn zu Boden gleiten. Dann beugt er sich zu ihm hinunter, legt sich einen seiner Arme um den Hals, richtet sich wieder auf und schleppt ihn zum Haus. Er kann ihn kaum halten, so sehr schmerzen seine Gelenke, trotzdem schafft er es, so wie er im Lauf der Jahre auch alles andere geschafft hat. Doch diesmal fällt es ihm leichter, denn er weiß, dass er den Schmerz nicht mehr lange ertragen muss. Stanton ist halb bei Bewusstsein und macht sogar ein paar Schritte selbst. Caleb setzt ihn auf der Treppe zur Veranda ab und versucht, die Tür zu öffnen. Sie ist verschlossen. Er schiebt die Klinge seines Messers unter das Badezimmerfenster und stemmt es nach oben, bis der Riegel aus dem Holz gleitet. Dann klettert er hinein und bahnt sich seinen Weg zur Hintertür, durch die er Stanton ins Haus zerrt. Auf dem neuen flauschigen Teppich lässt er sich nur schwer vorwärtsziehen. Er bringt ihn in das Schlafzimmer, das am weitesten von der Straße entfernt ist. Dort fesselt er den Arzt mit einem Kabelbinder an den Füßen und lässt ihn auf dem Boden liegen.
Für einen kurzen Moment schaltet er die Badezimmerbeleuchtung ein, um sich zu vergewissern, dass es im Haus auch Strom gibt. In dem Lichtschein, der in den Flur und zwei angrenzende Zimmer fällt, kann er erkennen, dass die Möbel hier der letzte Schrei sind und an den Wänden
hübsche Drucke hängen; alle Gegenstände sind an ihrem Platz und lassen dieses unbewohnte Haus wie ein trautes Heim wirken, eine Illusion, durch die der Besitzer beim Verkauf einen höheren Preis erzielt. Caleb bringt Katy ebenfalls ins Schlafzimmer, schlägt die Musterdecken zurück, legt sie in das Musterbett und schiebt ihr ein Musterkissen unter ihr süßes Köpfchen. Deckt sie zu.
Im Wohnzimmer steht ein hübscher LCD-Fernseher. Caleb trägt ihn in ein zweites Schlafzimmer, weil er fürchtet, das Flimmern im Wohnzimmer könnte die Nachbarn alarmieren. Es ist schon
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