Haus des Todes
steigt ins Bett. Er starrt die Decke an, er ist hundemüde, doch er kann nicht einschlafen, denn er muss an Jonas Jones und Mrs. Whitby denken, aber vor allem an Theodore Tate.
Kapitel 49
Mit eingeschalteter Sirene fahre ich in Schroders Wagen zu meiner Frau. Zu meiner Frau, die zu sich gekommen und nun lebendiger ist als in den drei Jahren zuvor. Ich rase durch die Straßen von Christchurch, während ich das Lenkrad umklammert halte und mir durch das offene Fenster der Wind ins Gesicht bläst. Es herrscht kaum Verkehr, aber ich komme an jede Menge roter Ampeln, die ich einfach überfahre. Ich lächle, und wahrscheinlich wird das Lächeln einen Monat lang nicht mehr aus meinem
Gesicht verschwinden. Vor meinem geistigen Auge laufen Bilder meiner Zukunft ab. Ich sehe sie auf der Windschutzscheibe, als wäre meine Phantasie ein Projektor und meine Augen wären die Linsen. Am Anfang wird es schwer werden. Bridget weiß nicht, dass unsere Tochter tot ist, dass die Benzinpreise um das Dreifache gestiegen sind und dass Hip-Hop überall auf dem Planeten seinen Siegeszug angetreten hat. Sie wird in einer neuen Welt zu sich kommen, und der letzte Tag, an den sie sich erinnert, liegt drei Jahre zurück. In ihrer Wirklichkeit ist sie noch jünger, hat eine Zukunft und eine Familie. Vor ihr liegt eine schwere Zeit, doch es werden bessere Zeiten folgen. Großartige Zeiten. Es wird nicht die Zukunft sein, die wir uns erträumt haben, aber wir werden eine Zukunft haben. Das Haus wird nicht mehr leer sein. Wir können uns eine neue Katze kaufen, und vielleicht bekommen wir noch ein Kind …
Noch ein Kind.
Ich habe keine Ahnung, wie ich auf so was komme. Ich habe nicht mal darüber nachgedacht. Noch ein Kind. Nein, ausgeschlossen. Ich weiß, was in dieser Welt mit Kindern geschieht. Ich werde auf keinen Fall noch ein Kind in diese Welt setzen.
Trotzdem …
Eins nach dem anderen. Zunächst einmal müssen wir mit dem Schmerz fertigwerden. Jeder Gedanke an die Zukunft muss so lange zurückstehen, bis ich ihr die Gegenwart erklärt habe. Ich muss mich mit ihr hinsetzen und ihr von Emily erzählen, sie in den Arm nehmen,
während sie unseren Verlust betrauert; aus den schmerzlichen Tagen, die vor uns liegen, werden schmerzliche Wochen und Monate werden, ich werde sie mit auf den Friedhof nehmen und ihr das Grab unserer Tochter zeigen. Ich schüttle den Kopf.
Der Spruch auf dem Hemd der Kellnerin in Froggie’s Diner hat es auf den Punkt gebracht.
Trotzdem sitzt mir mein Lächeln unverändert im Gesicht, und mein Fuß hält immer noch das Gaspedal gedrückt, Mann, es ist ein gutes Gefühl, ja, ein echt gutes Gefühl, zu einem Ort zu rasen, der nicht der Schauplatz von Tod und Verzweiflung ist.
Als ich das Pflegeheim erreiche, sehe ich davor einen Streifenwagen, er ist dort seit letzter Nacht, in seinem Innern hockt ein Beamter und hält Wache. Außerdem steht ein Krankenwagen in der Auffahrt, und daneben ein BMW neueren Baujahrs. Das Blaulicht des Krankenwagens ist eingeschaltet, und ich habe keine Ahnung, warum.
Ich parke neben dem BMW. Am Heck des Krankenwagens steht Forster. Er ist Ende fünfzig, hat dunkelbraunes Haar und trägt eine Designerbrille, er hat seine Krawatte gelockert und die Ärmel hochgekrempelt und sieht aus wie ein Schauspieler, der einen Fernseharzt spielt. Die Türen des Krankenwagens sind geschlossen, und im Innern brennt Licht, doch ich habe immer noch das Lächeln im Gesicht.
»Warum steht der hier?«, frage ich und deute mit dem Daumen auf den Wagen.
»Gehen wir rein«, sagt er.
Ich schüttle den Kopf. »Ich werde jetzt zu Bridget gehen«, sage ich, »aber wie wär’s, wenn Sie mir erzählen, warum der Krankenwagen hier steht?«
»Theo …«
Ich schüttle erneut den Kopf. »Sie ist wach, Doktor. Sie ist wach und gesund.«
»Bitte, lassen Sie uns reingehen.«
»Nein. Erst wenn Sie mir sagen, dass es ihr gut geht. Erst wenn Sie mir sagen, dass der Krankenwagen nicht ihretwegen hier ist«, erkläre ich, und das Lächeln, dieses dämliche Lächeln, ist immer noch in meinem Gesicht. Denn solange es dort ist, geht es meiner Frau gut. Der Krankenwagen rollt langsam an.
»Theo …«
»Verdammt …«, sage ich, drängle mich an Forster vorbei zum Wagen und lege die Hand auf den Griff der Hecktür.
»Theo, nicht«, sagt er und greift nach meiner Schulter, doch ich lasse mich nicht aufhalten.
Ich öffne die Krankenwagentür, und jetzt ist mein Lächeln verflogen. Im Innern, mit einer
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