Haus des Todes
er nicht, warum sie so lange gebraucht haben, doch dann wird ihm klar, dass es eine Wiederholung ist. Das alles ist schon vor zwanzig Minuten passiert.
Die Polizei hat also doch gelogen. Und er hat nie in Betracht gezogen, dass es sich um eine Falle handeln könnte. Irgendwie haben sie Octavia gefunden. Sie haben sie benutzt, um ihn an den Tatort zu locken. Sie haben ein Kind benutzt, um ihn zu schnappen, und er kann das verstehen, denn er hat die Kinder ebenfalls für seine Zwecke eingesetzt.
Er ist erleichtert, dass es Octavia gut geht. Aber gleichzeitig ist er besorgt. Wie hat die Polizei sie gefunden? Hinterlässt er Spuren? Wenn dem so ist, wird die Polizei dann bald auch hier auftauchen? Oder hat Tabitha es geschafft zu entkommen? Sollte er von hier verschwinden? Aber wo soll er hin? Und was würde das überhaupt für einen Unterschied machen?
Er starrt auf den Fernseher und mustert den Mann, mit dem er heute gekämpft hat und dem er neulich Nacht auf dem Friedhof begegnet ist. Dann erscheint ein weiterer Detective, den er in den letzten Tagen öfter in den Nachrichten gesehen hat, und da ist Jonas Jones, der Hellseher, den er aus dem Frühstücksfernsehen kennt, der Hellseher, den er von allen am liebsten aufgesucht hätte. Als Caleb anfing, sich mit den Hellsehern zu treffen, hat er auch Jones kontaktiert, nur um festzustellen, dass dieser keine Termine frei hatte und mehr verlangte, als Caleb sich leisten konnte.
Er sitzt mit dem Messer in der Hand auf der Bettkante. Die Nachrichten springen in der Chronologie der Ereignisse noch weiter zurück. Es sind jetzt mehrere Männer zu sehen, die aus dem Haus herauskommen und auf Jonas Jones zurennen. Jones fasziniert ihn – ist es möglich, dass der Mann ein echter Hellseher ist? Es kommt zu einer Auseinandersetzung. Und Jones erklärt, warum er dort ist.
Caleb hält das Messer noch fester umklammert, als der Name seiner Tochter fällt.
Jonas Jones sagt, Jessica habe ihn dorthingeführt!
Warum sollte Jessica das tun?
Wie zur Antwort auf seine Frage erzählt Jones der Polizei und den Kameras, Jessica habe ihn dorthin geführt, damit er das Mädchen beschützt.
Caleb lässt das Messer auf das Bett sinken. Würde sie wirklich so etwas tun? Er glaubt schon. Man hat Jessica wehgetan – und das Letzte, was sie wollen würde, wäre,
dass einem anderen Mädchen Schmerzen zugefügt werden. Mein Gott, ist er so tief gesunken, dass nicht mal seine eigene Tochter mehr an ihn glaubt?
Jones werden Handschellen angelegt, dann wird er ins Haus gezerrt. Die Polizeibeamten sind so wütend, dass Caleb die nächsten zehn Sekunden nur darauf wartet, dass ein Lichtblitz aufzuckt und ein Schuss ertönt, doch das passiert nicht. Dann ist der Bericht zu Ende, und es gibt die neusten Nachrichten vom Ort des Geschehens. Er lauscht dem Reporter, dann fängt er an, durch die Programme zu zappen, um eine andere Sichtweise auf die Ereignisse zu hören, aber die Reporter sagen alle das Gleiche – Jonas Jones habe sie zu Octavia Stanton geführt, nachdem ihm Jessica Jones, ein zehnjähriges Mädchen, das vor fünfzehn Jahren ermordet wurde, erschienen sei.
Jessica. Seine eigene Tochter versucht, ein anderes Mädchen vor ihm zu beschützen.
Der Gedanke macht ihn traurig.
Sollte Jonas Jones allerdings wie all die anderen Hellseher sein, würde ihn das wütend machen, denn dann würde er Jessicas Namen für seine Publicity missbrauchen.
Aber was, wenn er nicht wie all die anderen ist?
Zu Octavia Stantons Zustand wird nichts gesagt. Die Reporter hätten nicht gesehen, wie sie das Haus verlassen habe, und da die Polizei die Aktion offensichtlich abgeblasen habe, sei es fraglich, ob sie überhaupt da gewesen sei. Trotzdem habe Jones das richtige Gespür bewiesen – allerdings nicht beim Timing. Da sind sich die Reporter einig.
Caleb ist sich nicht sicher, ob das Jones’ Fähigkeiten irgendwie infrage stellt.
»Es ist keine exakte Wissenschaft«, sagt einer der Reporter, »sondern eine ganz spezielle Gabe.«
Es folgen Aufnahmen des Mannes, mit dem Caleb gekämpft hat. Theodore Tate. Der Moderator gibt ein paar Informationen zu ihm, unter anderem, dass er wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt worden ist und vier Monate im Gefängnis saß, dass er zwei Serienmörder gefasst und getötet und seine Tochter verloren hat. Und dass der Mörder seiner Tochter das Land verlassen hat.
Caleb schaltet den Fernseher aus. Erschöpft zieht er sich bis auf die Unterwäsche aus und
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