Haus des Todes
Beatmungsmaske vorm Gesicht, liegt Bridget, neben ihr sitzen zwei Männer. Der Fahrer bringt den Wagen zum Stehen.
»Was zum Teufel«, sagt einer der Männer, als ich versuche, in den Wagen zu steigen. »Verdammt noch mal, raus hier.«
»Theo«, sagt Forster, und diesmal kriegt er mich zu fassen und zieht mich zurück.
»Was ist hier los?«
»Schaffen Sie ihn hier raus«, sagt einer der Sanitäter, während der andere den Beatmungsbeutel drückt, um meine Frau mit Sauerstoff zu versorgen.
»Was …«, sage ich, doch mehr bringe ich nicht heraus. Bridgets Augen wandern in meine Richtung, ihre weit geöffneten blauen Augen, sie starren mich an und verweilen, zum ersten Mal seit drei Jahren, auf meinem Gesicht. Sie streckt die rechte Hand ein wenig nach mir aus. Sie hat mich erkannt. Sie kann mich sehen und hat mich erkannt, und ich strecke ebenfalls die Hand nach ihr aus, und sie schaut mich an und durch mich hindurch in mein Inneres, und sie stirbt, und ich stehe im Heck des Krankenwagens, während Forster mich zurückzieht und der Wagen abermals anfährt.
»Raus hier«, sagt der Sanitäter, und diesmal stößt er mir gegen die Brust. Ich lande auf Forster, und wir beide fallen unsanft auf die Auffahrt; Forster fängt meinen Sturz größtenteils ab, trotzdem kehren meine Kopfschmerzen zurück. Die Tür des Krankenwagens schließt sich, und der Wagen fährt davon, rast die Auffahrt hinunter, bis er nicht mehr zu sehen ist, und als er auf die Straße biegt, fängt die Sirene an zu heulen.
»Tut mir leid«, sagt Forster.
»Erzählen Sie’s mir«, sage ich und reibe mir die Schläfe, nur dass mir die Worte nicht so flüssig über die Lippen kommen, sondern gepresst und undeutlich.
»Bitte?«
»Erschälen Sie’s mir, ab isch geschagt.«
Ich reibe mir den Kopf und drücke die Augen zu, und
in der Dunkelheit sehe ich ein verblassendes Feuerwerk. Ich konzentriere mich auf die Wörter. »Isch bin okay«, sage ich. Ich versuche es erneut, konzentriere mich auf jedes einzelne Wort. »Ich bin okay. Was ist mit Bridget?«, frage ich, während das Feuerwerk langsam verschwindet.
»Sie sind nicht okay. Haben Sie sich gerade den Kopf angeschlagen?«
»Verdammt noch mal, Doktor, erzählen Sie’s mir!«
»Ihre Frau«, sagt er, »Sie wissen ja, Bridget ist vor fünfundvierzig Minuten aus dem Koma erwacht. Sie hat allerdings nicht gesprochen«, sagt er und bewegt den Kopf langsam von recht nach links, ganz langsam, so wie man es tut, wenn man schlechte Nachrichten hat. »Sie ist zu sich gekommen und in den Flur gegangen. Die Schwester, die sie gefunden hat, dachte, sie würde mal wieder herumlaufen, doch dann hat Bridget sie an der Schulter gepackt und versucht, etwas zu sagen, aber sie brachte keinen Ton heraus. Sie war extrem erregt.«
»Ist sie okay?«
»Man hat mich angerufen, und als ich hier eintraf, hatte sie sich wieder beruhigt. Sie hatte sich hingesetzt und trank Wasser. Ihre Augen wanderten umher, aber sie verstand nicht, was …«
»Sagen Sie mir einfach, ob sie okay ist!«
»Sie verstand zwar nicht, was mit ihr passierte, aber geistig war sie da. Wir sagten ihr, wer sie ist und dass sie einen Unfall gehabt habe, und dann wurde sie wütend. Wir dachten schon, wir müssten ihr ein Beruhigungsmittel geben.«
»Verdammt noch mal, Doktor, ist sie okay?«, frage ich und spüre Gallenflüssigkeit in meine Kehle steigen. Sollte er meine Frage verneinen, sollte er erklären, dass sie sterben wird, dann macht er besser, dass er hier wegkommt, dann sputet er sich lieber, als wäre der Teufel hinter ihm her.
Er steht wieder auf und klopft sich seine Hose ab. Dann nimmt er meine Hand und zieht mich hoch.
»Sie hat einen Krampfanfall gehabt«, sagt er. »Bevor ich sie überhaupt untersuchen konnte, fing sie an zu krampfen. Wir konnten es nicht unterbinden. Darum haben wir einen Krankenwagen gerufen, und dann hat sie einen Herzstillstand gehabt. Man kümmert sich jetzt um sie, und jede Sekunde …« Er hält inne. »Es steht ernst um sie«, sagt er.
»Sie wollten sagen, jede Sekunde zählt«, sage ich.
»Theo …«
»Sie haben mir gerade erklärt, dass ich meine Frau zwanzig Sekunden gekostet habe.«
»So dürfen Sie das nicht sehen.«
»Ich hätte früher hier sein sollen«, sage ich und denke an Cole und an Jones, und ich finde, dass die Stadt mir einen Gefallen schuldet, Mann, hundert Gefallen. »Verdammte Scheiße, ich hätte hier sein sollen!«
»Sie konnten ja nicht ahnen, dass so etwas passieren
Weitere Kostenlose Bücher