Haus des Todes
oder voll auf Adrenalin, für die Lösung des Problems macht das keinen Unterschied.
Wenn Mrs. Whitby in dreißig Minuten noch am Leben ist, wird Cole Katy dann töten? Ich weiß nur, dass ich noch vor fünf Minuten dachte, er würde ihr keinen ihrer Finger abschneiden. Jegliches Verständnis, das ich für ihn hatte, ist verloren gegangen, als er die Klinge runtergedrückt hat. Und mit ihm das Profil, das wir von ihm erstellt
haben. Cole ist verzweifelt. Und ein verzweifelter Mann ist zu allem fähig. Ich spritze mir noch mehr Wasser ins Gesicht, klammere mich an der Arbeitsfläche fest, bis meine Finger anfangen zu pochen, dann drücke ich mich nach oben, und mein Spiegelbild im Küchenfenster tut es mir gleich.
Ich ziehe meine Schuhe an, lasse beide Handys in meine Tasche gleiten, schnappe mir eine Jacke und die Autoschlüssel. Und als ich auf die Haustür zugehe, höre ich, wie im Esszimmer die Katzenklappe aufschwingt.
Ich laufe durch den Flur zurück und sehe, wie die Katze des Nachbarn auf den Tisch hüpft.
»Hey«, brülle ich.
Sie springt wieder herunter und rennt mit einem Ausdruck nackter Panik auf die Katzenklappe zu, im Maul den Finger. Ich versuche sie aufzuhalten, doch sie wechselt die Richtung und läuft ins Esszimmer zurück und von dort ins Wohnzimmer. Ich stürze hinter ihr her, aber sie versteckt sich unter dem Sofa. Mensch, ich habe keine Zeit für so was. Die Uhr läuft. Ich kippe das Sofa um, und die Katze stürmt an mir vorbei zur Tür. Ich greife nach ihr, krieg sie aber nicht zu packen. Doch sie dreht sich zu mir um und rennt gegen die Wand, worauf ihr der Finger aus dem Maul fällt. Sie schnappt danach, aber inzwischen bin ich fast bei ihr, und sie faucht mich an. Ich klatsche laut in die Hände, worauf sie sich umdreht und nach draußen verschwindet.
Ich hebe den Finger auf. Er ist leichter als gedacht, aber ich habe mir bisher wohl noch nie darüber Gedanken gemacht,
wie schwer so ein Finger ist. Ich wickle ihn in eine Plastiktüte und lege ihn in den Kühlschrank. Ich nehme an, man sollte ihn kühl lagern, falls man noch eine Chance haben will, ihn wieder anzunähen, und im Gefrierfach würde er womöglich zu sehr Schaden nehmen. Womöglich kristallisieren die Zellen oder so was – vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein. Ich weiß nicht, der Kühlschrank ist wohl immer noch besser, als wenn die verdammte Katze darauf herumkaut.
Ich gehe raus zum Wagen und schalte das Blaulicht ein. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich tun soll. Schroder anrufen? Und das Leben des Mädchens gefährden? Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nur, dass der Wagen die Distanz zwischen meinem Haus und dem von Mrs. Whitby immer weiter verkürzt. Ich sehe vor mir, wie das Messer durch Katys Finger schneidet, und den Gesichtsausdruck, den Cole dabei gemacht hat, und es war nicht das Gesicht eines Mannes, dem Spaß bereitete, was er da tat. Er wollte etwas deutlich machen. Würde er sie zu diesem Zweck auch töten?
Ich weiß es nicht. Wenn ich Verstärkung anfordere, wird Cole sie dann töten?
Und wenn er es tut, werde ich damit leben können?
Und wenn ich Mrs. Whitby umbringen würde, könnte ich auch damit leben?
Käme ich damit zurecht, wieder in den Knast zu wandern?
Obwohl es egoistisch ist, auf diese Frage läuft es hinaus.
Nein, ich käme damit nicht zurecht. Nicht wenn Bridget wieder bei mir leben würde.
Während ich weiterfahre, ziehe ich mein Handy aus der Tasche. Ich erreiche die Außenbezirke und rase hindurch, bis ich auf eine der Hauptstraßen komme, auf der mindestens zweihundert Autofreaks parken und den Verkehr blockieren. Scheiße. Ich fahre über den Mittelstreifen auf die leere Gegenfahrbahn. Weiter hinten kann ich die Blaulichter eines Feuerwehrautos und den orangefarbenen Schein eines Feuers erkennen. Ich rufe Schroder an. Es klingelt einige Male, bevor er abhebt.
»Theo«, sagt er, und im Hintergrund kann ich seine Frau und ein schreiendes Baby hören. Sein Tonfall verrät mir, dass er mit schlechten Nachrichten rechnet. Dass ich ihm mitteile, Bridget sei gestorben.
»Ich brauche deine Hilfe«, sage ich.
»Was ist los?«
»Ich habe keine Ahnung, ob ich dich als Freund oder als Cop anrufe.«
»Als Freund, Theo. Ich bin kein Cop mehr, zumindest nicht heute Abend. Vielleicht sogar nie wieder.«
»Dann also als Freund.«
»Okay, Theo, du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Was ist passiert?«
»Caleb Cole war bei mir.«
»Bitte
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