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Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cleave
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Minuten hast du dich für Octavia Obsolet entschieden.«
    »Nein, nein, das kannst du nicht tun.«
    Caleb geht erneut in die Hocke. Er packt Melanies Hand und spreizt ihre Finger, dann drückt er das Messer gegen die Kuppe des Zeigefingers. Er schaut zu Stanton hinüber, der jetzt weint und knallrot anläuft. Er röchelt und schnaubt, und aus seiner Nase schießen Fäden blutigen Rotzes, die von seiner Lippe herunterbaumeln und an seinem Kinn kleben bleiben. Er hat immer noch die Hände auf dem Rücken gefesselt. Wiederholt versucht er, sich mit der Schulter das Gesicht abzuwischen. Und an seinem Hals treten die Adern hervor.
    »Entscheide dich, Stanton.«
    »Okay, okay, verdammt noch mal. Gib mir eine Minute.«
    »Du hast noch fünf Sekunden, Doktor. Ticktack.«
    »Okay, okay. Scheiße.« Er weint jetzt noch mehr. »Nimm mich«, sagt er.
    Caleb nickt. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet. Allerdings schon beim ersten Mal.
    »Okay.«
    »Was? Mein Gott, nein«, sagt er, und er hat es kaum ausgesprochen, da macht er sich wie Octavia in die Hose. »Bitte, töte mich nicht.«
    »Das ist jämmerlich«, sagt Caleb.
    »Bitte …«
    »Ich sag dir was, Stanton, wenn du es wirklich ernst
meinst, töte ich dich jetzt sofort und lasse deine Kinder gehen. Willst du das?«
    »Ich … ich will nicht sterben.«
    »Keine Sorge, ich mach nur Spaß.«
    »Du machst Spaß? Du wirst niemandem wehtun?«
    »Nein, die Sache mit deinen Töchtern war kein Spaß, nur das mit dir. Also hör auf, um dein Leben zu betteln. Das wäre zu einfach. Du sollst dasselbe durchleben, was ich vor fünfzehn Jahre durchlebt habe.« Er muss dieselbe Erfahrung machen. Verstehen, was es bedeutet, jemanden zu verlieren.
    In seiner ganzen Konsequenz.
    Darum geht es hier.
    Stanton wirkt verwirrt. Doch ermutigt durch die Tatsache, dass Caleb nicht vorhat, ihn zu töten, setzt er nach. »Doch«, sagt er. »Doch, es ist so einfach, töte mich und lass meine Kinder gehen. Eigentlich möchtest du ihnen gar nichts antun.«
    »Du bist so ein widerlicher Mistkerl«, sagt Cole.
    »Sie haben dir …«, sagt Stanton und bekommt einen Schluckauf, als ihm der Satz im Hals stecken bleibt und dort verendet. Er gibt ein schrilles Quieken von sich, während er panisch versucht, neu anzusetzen, und dann ist seine Stimme wieder da. »Sie haben dir nichts getan. Nichts.«
    »Meine Familie hat dir auch nichts getan.«
    »Ich habe deine Familie nicht getötet! James Whitby hat sie getötet!«, brüllt er und klingt wieder wie ein Kind auf dem Spielplatz.

    Caleb kann hören, dass Octavia draußen jetzt lauter weint. Wahrscheinlich machen ihr die Geräusche aus dem Gebäude Angst. Sie ängstigt sich, dass sie in absehbarer Zeit obsolet sein könnte. Caleb muss sie bald füttern. »James Whitby war eine tickende Zeitbombe«, sagt er, »und du hast ihn auf die Menschheit losgelassen …«
    »Das stimmt nicht. Du verstehst nicht, ich habe bloß …«
    »Komm schon, Stanton, hör auf, dich zu rechtfertigen. Du bist ein Feigling. Das hast du gerade unter Beweis gestellt, als du dich dafür entschieden hast, an deiner Stelle ein Baby töten zu lassen.«
    »Dann entscheide ich mich jetzt dafür zu sterben.«
    »Und ich werde Melanie jetzt die Finger abschneiden«, sagt Caleb. »Dann kapierst du vielleicht, dass ich keine Spielchen spiele.«
    Was Stanton als Nächstes sagt, dringt nur gedämpft aus seinem Mund, weil er sich auf dem Boden hin und her wälzt und sich gegen die Fesseln stemmt; er spricht, das Gesicht gegen den Betonboden gedrückt, und schürft sich dabei die Wange auf. Zentimeter um Zentimeter kommt er näher. Caleb bewundert seine Entschlossenheit. »Halt«, sagt er, und als der Arzt nicht aufhört, wiederholt er es, diesmal mit mehr Nachdruck: »Halt!«
    Der Arzt hört auf. Und schaut zu Caleb hoch, der das Messer immer noch an Melanies Finger hält.
    »Caleb, hör mir zu, bitte. Du wirst selbst zu dem, was du verabscheust. Du wirst zu dem Mann, der deine Tochter getötet hat.«

    »Nicht nur meine Tochter«, sagt Caleb, »meine ganze Familie. Aber jetzt ist es zu spät  – ich bin bereits zu ihm geworden. Du kannst dir selbst auf die Schulter klopfen, Doktor, denn du bist der Grund dafür.«
    »Nein, nein, du bist schlimmer als er. Wenn dein Sohn noch am Leben wäre, dürfte ihn dann nach deiner Logik jemand, der mich liebt, töten für das, was du getan hast?«
    »Wie meinst du das?«, fragt Caleb.
    »Ich denke, du hast schon verstanden. Wenn das hier alles vorbei

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