Haus des Todes
zerrissen hätte. Ich weiß noch, wie verzweifelt wir deswegen waren. Und dass der Detective, der die Informationen aus Whitby herausgeholt hatte, sich schuldig fühlte; was er getan hatte, war zwar nachvollziehbar, als man noch hoffen konnte, das Leben des kleinen Mädchens zu retten, doch unverzeihlich, als es dann tot aufgefunden wurde. Denn so konnte der Mörder damit rechnen, auf freien Fuß zu kommen. Ich weiß noch, dass einer der Detectives Caleb Cole steckte, was passiert war, offensichtlich ohne die geringste Ahnung, was dieser als Nächstes tun würde. Cole hat nie verraten, von wem er erfahren hat, dass Whitby entlassen wurde.
Davon stand nichts in den Zeitungen. Vielleicht wäre darüber berichtet worden, wenn es an die Öffentlichkeit gelangt wäre, aber da es nie zum Prozess kam, hatte Whitby keine Gelegenheit zu erzählen, was passiert war. Er
hat es seinem Anwalt erzählt – er wurde diesmal nicht von Victoria Brown vertreten –, aber der Anwalt ist nach Whitbys Tod nicht damit an die Öffentlichkeit gegangen. Er hatte selbst Kinder. Und ihm war klar, dass wir alle nach dem Tod seines Klienten besser dran waren. Stattdessen kam er aufs Revier und erklärte, er würde sich an die Medien wenden, falls man den Mann, der Whitby verprügelt hatte, nicht feuern würde. Bevor man ihn dazu drängen musste, quittierte der Detective seinen Dienst, und der Anwalt ging zufrieden nach Hause.
Ich bin Caleb Cole nie begegnet. Ich war nicht dabei, als man ihn zur Leichenhalle brachte, um seine Tochter zu identifizieren. Nicht, als er im Foyer der Wache stand und schreiend nach Rache verlangte. Und auch nicht, als ein Tag später das Fahrzeug mit Whitby auf dem Weg von der U-Haft zum Gericht von einem Möbelwagen gerammt wurde, den sich Caleb Cole von seinem Schwager geliehen hatte. Bei dem Zusammenstoß wurde der Fahrer des Transporters getötet, und der Beamte im Laderaum brach sich beide Arme und verlor ein Auge. Whitby überlebte zwar den Unfall, aber nicht, was dann folgte. Caleb zerrte ihn aus dem Wrack zu seinem Wagen, der in der Nähe parkte. Und fuhr ihn zum Schlachthof.
Dort nahm Caleb Cole James Whitby dann auseinander.
Mit einem Küchenmesser. Jedes Mal wenn er zustach, bewegte er die Klinge hin und her und erzeugte dadurch so tiefe Wunden, dass es Whitby regelrecht zerriss. Ich bin nie am Tatort gewesen. Man hat mich nicht zur Unterstützung
angefordert, und ich bin froh darüber. Ich weiß, dass Whitbys Körperteile über den ganzen Boden verstreut lagen, er war so übel aufgeschlitzt worden, dass die Innereien aus ihm hervorquollen. Ich weiß, dass Teile seines Körpers in einen Eimer geschaufelt werden mussten. Die Gerichtsmedizinerin konnte nicht mal feststellen, ob Whitby bei dem Zusammenstoß verletzt worden war, denn es war nicht mehr genug von ihm am Stück vorhanden, um das beurteilen zu können.
Und ich weiß – dank der Gerichtsmedizinerin –, dass es insgesamt neunzehn Stichwunden waren.
Nachdem Whitby tot war, fuhr Caleb Cole nach Hause. Blutverschmiert. Seine Frau erkannte ihn nicht wieder. Sie stieß einen Schrei aus, als er das Haus betrat, und ihre Nachbarn verständigten die Polizei. Sie sagte, er habe ausgesehen, als hätte er in Blut gebadet. Sie sagte, er habe ausgesehen, als wäre er einem Horrorfilm entstiegen. Cole sagte keinen Ton zu ihr, sondern ging einfach weiter und duschte, und als er wieder herauskam, saß sie auf dem Sofa und wusste, was er getan hatte. Sie hielten einander im Arm, bis ein paar Minuten später die Polizei eintraf. Er leistete bei der Festnahme keinen Widerstand. Und bekannte sich in allen Punkten für schuldig. Vier Tage später hat seine Frau sich umgebracht. Am Montag hatte sie ihre Tochter verloren und am Wochenende alles andere. Sie hinterließ keinen Abschiedsbrief. Cole wurde zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt. In der ersten Woche versuchte er zweimal, sich das Leben zu nehmen. Ab da stand er drei Monate lang unter besonderer Beobachtung,
anschließend versuchte er erneut, sich umzubringen. Danach nicht mehr, allerdings machten sich nun andere zur Aufgabe, ihm diese Arbeit abzunehmen.
»Opfer Nummer zwei war Lehrer. Ist Whitby vielleicht einer seiner Schüler gewesen?«, frage ich.
»Wir werden’s bald wissen«, sagt Schroder. »Und auch, was es mit Opfer Nummer eins auf sich hat.«
»Opfer Nummer drei, Hayward. Wir können wohl davon ausgehen, dass Ariel Chancellor die Verbindung ist. Er hat einfach im falschen Moment die
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