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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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der
    phantasielosen Hand, blitzblankes Auto, blau wie der Himmel an einem Sommertag, der milde Luxus im Innern und die Verheerungen, die ihr Lächeln anrichtete. »Schönes Auto«, sagte sie.
    »Dabei bin ich schon vierzigtausend damit gefahren. Man muß nur seine
    Sachen ein wenig in Ordnung halten.«
    »Natürlich«, sagte sie, »daß muß man. Ordnung ist das halbe Leben.« Er sah zu ihr hin, Mißtrauen im Blick.
    Aschenbecher waren drin, ein Zigarettenanzünder war drin: korrekt glühendes, rötlich leuchtendes Sieb, und schon gab Gäseler Gas.
197
    Kam Judith so zu Holofernes ? Mußte sie so heftig gähnen, als sie an seiner
    Seite durchs Zeltlager schritt?
    Sichere Eleganz der Lenkung, korrektes Stoppen vor aufglühenden roten Lichtern und rasch Vorteile wahrgenommen: in Lücken geschlüpft, sich vorsichtig vorgedrängelt. Harte, ein wenig sentimentale Augen bei näherem Zusehen, und alles in diesem hellen, flachen Licht. Die letzte Nummer des Boten vorne im Fach neben dem Zigarettenanzünder. Sie schlug die Zeitung auf, suchte das Impressum: Feuilleton Werner Gäseler. Albert hatte nie seinen Vornamen genannt, nie von seinem Alter gesprochen, und sie hatte sich jahrelang einen anderen vorgestellt, wenn sie an ihn dachte: großer, brutaler Beau, intelligenter Offizier, auf Gehorsam bestehender Pflichtbulle, nicht solch ein Profil, das sich bestenfalls für einen Werbefilm eignete: Besuchen Sie Schloß Brernich, die Perle des Barock, im idyllischen Tal der Brer. Vorstadt: Zäune, Zigeunerwagen, eine Kirmes, die abgebrochen wurde; bunte Karren, im Hintergrund ein dudelndes Karussell, auf dem die Kinder noch schnell durchgeschüttelt wurden, während man die Plane schon zum Abtransport zusammenrollte. Aber selbst die malerischsten Dinge wirkten bei diesem Licht, mit diesem Hauptdarsteller reizlos, flach, und die Landstraße war wie eine Postkartenlandstraße.
    Ein Lächeln hinter dem anderen, ihm ins Gesicht geschickt: Friß es, mein
    Kleiner, und wenn du ȇ s bist, verrecke daran, und wenn du ȇ s nicht bist, wird mich der Kuß, den du mir auf die Hand drücken darfst, unsagbare Überwindung kosten. Aber du bist ȇ s, mein Kleiner, du Stümper warst ausersehen, den Film durchzuschneiden. So sieht das Schicksal aus, so wie du: nicht düster, nicht grauenvoll, sondern wie du: langweilig. Selbst die Ruhe, die Gleichmäßigkeit, mit der er das Tachometer auf sechzig hielt, reizte sie. Wenn sie schon im Auto fuhr, wollte sie den Zeiger um hundert herum zittern sehen: kitzlige kleine Nadel, sensibler als die Hände, die deine Bewegung regulieren. Er wandte ihr das Gesicht zu, und sie schenkte ihm dreimal die Muskelbewegung: mechanisch hingestreutes Gift, das er mit Dankbarkeit quittierte.
    Bietenhahn. Fachwerkhäuser in den Wald gestreut, so scheinbar planlos und
    doch so geschickt, wie Ausflugsorte ihre Romantik kultivieren. Die Kugel aus
    angerauht, künstlich bemoost, eingemauert die Schwedenkugel. »Hübscher Ort«, sagte er. »Sehr hübsch«, sagte sie.
    Alberts Mutter hängte im Garten Wäsche auf, und Will ging neben ihr her und reichte ihr die Klammern, und am Nachmittag würde Albert mit dem Jungen kommen, und es würde ein wunderschönes Wochenende werden, denn abends würde Glum kommen, würde singen, und vielleicht würden sie am Montag wegfahren, weit weg.
    Halten Sie an, wollte sie sagen, aber sie sagte es nicht, und sie konnte sich nur
    in der Biegung noch einmal umwenden und Will sehen, der geduldig den Klammersack neben Alberts Mutter hertrug, die den leuchtend gelben Korb absetzte und eins von Wills Nachthemden aufhängte: Fahne des Friedens dort hinten, Wehmut erweckendes Requisit, das hinter Bäumen ver Ȭ schwand.
    »Entzückende Gegend«, sagte er. »Entzückend«, sagte sie.
    Er sah sie wieder mißtrauisch an, vielleicht hatte der Tonfall ihrer Stimme ihn aufmerksam gemacht. Sie heilte das Mißtrauen durch Lächeln. Unübertroffener Wunderbalsam, kostenlos über mißlaunige Männergesichter hingehaucht, und »alles war wieder gut, alles war wieder gut«. Er fuhr schneller, ließ das Tachometer auf fünfundsiebzig springen, nahm die Kurven mit sicherer Ele Ȭ ganz, und der Film lief weiter: Besuchen Sie Schloß Brernich, die Perle des Barock im idyllischen Tal der Brer. Unten floß die Brer dahin: grünes, schmales Gewässer, das künstlich am Leben erhalten wurde; geheime Betonleitungen führten der Brer Wasser zu, damit sie nicht einschlafe und weiterhin idyllisch und frisch bleibe: frisches

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