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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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Unternehmen zahlreiche Kunden zuführte. Aber gerade diese Tatsache erwies sich als überflüssig, denn es kam ein neuer Kunde, der ohne Werbung Marmelade kaufte: der Krieg.
    Im Krieg sahen sie dann überall an den Straßenrändern, wo deutsche Trosse
    geparkt hatten, die Marmeladeneimer aus der Fabrik, für die sie gearbeitet hatten: Etikette auf den Blecheimern, die Albert entworfen, und Slogans, die Rai verfaßt hatte: Französische Kinder spielten Fußball mit diesen Eimern, und für russische Frauen bedeuteten sie eine Kostbarkeit, und wenn die Eti Ȭ kette längst abgelöst oder zerrissen waren, die Eimer verrostet oder verbeult, sie erkannten sie immer noch am eingestanzten Blechmonogramm von Rais Schwiegervater, E. H., Edmund Holstege. Selbst im Dunkeln, wenn sie in muffigen Quartieren lagen und auf polternde Blecheimer traten, blieb ihnen diese Bewegung nicht erspart: Man konnte es fühlen, ertasten an der Stelle, wo der Henkel in den Eimer eingelassen war, das erhabene E. H. und die
    Die Siegeszüge der Armee waren nicht nur durch Kartuschen, zerschossene Häuser und verrecktes Vieh, sondern auch durch Marmeladeneimer gekennzeichnet. In Polen und Frankreich, Dänemark und Norwegen und auf dem Balkan war auf den Marmeladeneimern ein Spruch zu lesen, den Rai verfaßt hatte: »Dumm ist, wer noch einmacht, Holstege macht für Dich ein.« Die Worte »Dumm ist, wer noch einmacht« waren dick und rot gedruckt Ȭ das andere war weniger deutlich zu lesen. Dieser Slogan war das Ergebnis einer langen Konferenz mit der Fabrikleitung gewesen, nach der sie einen Feldzug gegen das Einmachen starteten. Aber dieser Feldzug war dann abgeblasen worden, weil Parteistellen intervenierten, die ihrerseits das Einmachen als eine gute deutsche Hausfrauentugend progagierten. Doch die Etikette und Plakate waren schon gedruckt gewesen Ȭ und im Krieg kam es nicht mehr so genau drauf an, und sie wurden aufgeklebt, später bis tief nach Rußland hineingeschleppt. Albert und Rai hatten das erste Kriegsjahr getrennt voneinander in verschiedenen Truppenteilen und auf verschiedenen Schau Ȭ plätzen erlebt, aber auch getrennt voneinander erlebten sie das gleiche, in den Vorstädten von Warschau lagen sie ebenso wie an der Kathedrale von Amiens: deutsche Marmeladeneimer. Außerdem bekamen sie noch Päckchen von Nellas Mutter geschickt, Päckchen, die kleine, aus verchromten Blech hergestellte Miniatureimerchen mit Marmelade enthielten, Werbegeschenke, die nach dem Kauf von drei Eimern Marmelade zugegeben wurden Ȭ und Nellas Mutter schrieb überflüssigerweise noch dazu, wie gut das Geschäft gehe...

    Es war niemand mehr in der Kneipe, er nippte an seinem Bier und schob das Glas, weil das Bier so schal schmeckte, beiseite. Dann musterte er die Reihe der Flaschen auf dem Bord und sagte, ohne den Kopf zu heben: »Bitte, geben Sie mir einen Schwarzwälder Kirsch« Ȭ aber die Finger der Frau bewegten sich nicht mehr, Wollknäuel und Nadeln waren auf den Boden geglitten, und als er den Kopf hob, sah er, daß die Wirtin eingeschlafen war, im Radio sang leise eine Frau ein südamerikanisches Lied. Er stand auf, ging hinter die Theke und goß sich selbst einen Kirsch ein, dann hob er das Wollknäuel und die Nadeln auf und sah auf die Uhr: Es war drei Uhr morgens. Er trank den Schnaps
    langsam, fast tropfenweise und steckte sich eine Pfeife dazu an.
    Nella würde nicht im Bett sein, sie war nie im Bett, wenn er zurückkam, und sie würde alles hinnehmen, was er ihr sagte. Rais Haß auf Willibrord und Rais Zynismus und seinen Snobismus und die Tatsache, daß er fünf Jahre vor seinem Tod kein einziges Gedicht, sondern nur noch Slogans geschrieben hatte, und daß sie sich schuldig mache an der Entstehung einer falschen Legende.
    Er trank den Kirsch aus und weckte die Wirtin, indem er ihr leise auf die Schulter klopfte, sie war sofort ganz wach, lächelte und sagte: »Na, daß mir das passieren muß, wenn Sie nicht dagewesen wären, hätte man mich ausplündern können.« Sie stand auf, drehte das Radio aus. Albert legte das Geld auf die Theke, ging nach draußen und wartete auf die Wirtin, die das Ziehharmonikagitter vor die Tür zog und abschloß. »Kommen Sie«, sagte er, »ich bring Sie nach Hause.« »Das ist fein«, sagte sie.
    Um diese Zeit waren wenig Leute auf der Straße, nur die großen Lastzüge mit Gemüse fuhren in Richtung der Markthalle. Er machte der Wirtin wegen einen kleinen Umweg, setzte sie ab und fuhr Ȭ immer noch langsam Ȭ

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