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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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schmalen Rente
    und immer wieder auf Postkarten den Satz: »Habt ihr denn kein Zimmer für mich, daß ich in die alte Heimat zurück kann?« Und die Mutter schickte ihm Tabak und Margarine und schrieb: »Es ist wirklich schlecht mit Zimmern, es ist so teuer.« Mutters Mutter war in Sachsen gestorben, und der Vater des Vaters lag hier auf dem Friedhof, angefaultes Holzkreuz, vor
    dem sie am Allerseelentag Blumen niederlegten und ein buntes Licht
    anzündeten. Vaters Mutter Ȭ die Oma Ȭ hatte Streit mit der Mutter, sie kam nur am zweiten Weihnachtstag, brachte ihm Geschenke und Wilma ostentativ nichts, und sie sprach fast so, wie Karl gesprochen hatte: »Ordnung Ȭ neues Leben Ȭ es nimmt kein gutes Ende.« Und einer ihrer Sätze hieß: »Wenn mein armer Junge das hätte erleben müssen.«
    Aber sie kam selten, und sie war nicht gut, weil sie Wilma weder ansah noch
    Wilma etwas mitbrachte. Sie sagte immer zu ihm: »Besuch mich doch mal.« Aber er war nur einmal bei ihr gewesen, sauber war es bei ihr, so sauber wie Leo war: Es roch nach Bohnerwachs, er bekam Kuchen und Kakao und Geld für die Straßenbahn, aber dann fing sie an, ihn auszufragen, und er sagte nichts und fuhr nie mehr zu ihr, denn auch sie sprach, wie die Leute sprachen, die unter der Eisdecke sprachen: keusche Seele und reines Herz Ȭ und zwischendurch fragte sie nach Leo, nach Karl und Gert und murmelte kopfschüttelnd: »Keine Ordnung Ȭ wenn mein armer Junge, dein Vater, es noch hätte erleben müssen«, und sie zeigte ihm Bilder, wo der Vater so alt war wie er selbst, von der Erstkommunion und Bilder vom Vater im Schlos Ȭ seranzug. Aber er fuhr nie mehr zu ihr, weil er Wilma nicht mitbringen durfte.

7

    Wenn Nella Besuch mitbrachte, rief sie Albert, weil er ihr helfen mußte, den schlafenden Jungen aus ihrem Zimmer in seins zu tragen. Das Kind war schwer im Schlaf, murmelte im Traum vor sich hin, und sie fürchteten immer, er könne wach werden, aber meistens wühlte er sich schnell in Alberts Bett zurecht und schlief weiter. Nella hatte oft Besuch, und meistens mußte Albert zweimal in der Woche den Jungen in sein Zimmer bringen. Er mußte dann seine Arbeit liegenlassen, weil er, wenn der Junge im Zimmer schlief, nicht arbeiten und rauchen wollte, und es ergab sich von selbst, daß er mit zu Nella hinüberging und sich zu ihren Besuchern setzte. Er hatte ein paarmal versucht, mit seiner Arbeit in das leerstehende Zimmer oben neben Glum zu gehen, aber das Zimmer war ihm fremd, und er hatte tausend Kleinigkeiten bei der Arbeit nötig, die er ohne lange Überlegung mit einem Handgriff aus den
    Schubladen seines Arbeitstisches zog:
    Scheren und verschiedene Klebstoffe, Stifte und Pinsel, und es schien ihm, als lohnte es sich nicht, oben in dem leerstehenden Zimmer ein Atelier einzurichten. Auch das Wohnzimmer unten, das nie benutzt wurde, eignete sich nicht zum Arbeiten, eine orangefarbene Couch, orangefarbene Sessel und ein Teppich von gleicher Farbe, an den Wänden die Bilder eines Malers, den Nellas Vater gefördert hatte, reizlose Präzisionsarbeit, und der ganze traurige Mief eines Raumes, der seit Jahren nicht mehr benutzt, aber regelmäßig gesäubert wurde. Der Junge weigerte sich beharrlich, eins der leerstehenden Zimmer zu beziehen, und so blieb Albert nichts anderes übrig, als zu Nella zu gehen und sich zu ihren Leuten zu setzen. Er war immer ärgerlich und langweilte sich dabei. Manchmal ging er weg, um irgendwo zu saufen, dann tat ihm Nella leid, wenn er zurückkam und sie allein zwischen vollen Aschenbechern und leeren Flaschen und Tellern mit Butterbrotresten sitzen sah.
    Meistens waren es irgendwelche Snobs, die Nella auf Reisen oder Tagungen kennengelernt oder die sich ihr bei Vorträgen vorgestellt hatten, und es widerte ihn an, dem stundenlangen Geschwätz über Kunst zuzuhören. Er nahm nie am Gespräch teil, trank Wein und Tee, und es wurde ihm meist ein wenig übel, wenn man anfing, Rais Gedichte zu zitieren, und von Nella durch ein Lächeln ermuntert, gab er später widerwillig Auskünfte über Rai. Um seine Trauer über den Zeitverlust zu vergessen, trank er viel Wein, und meistens waren auch ein paar hübsche Mädchen dabei, und er sah hübsche Mädchen gern, auch wenn sie versnobt waren. Er beobachtete alles genau, stand hin und wieder auf, um eine Flasche zu entkorken, oder fuhr, wenn es spät wurde, mit seinem Auto weg, um neuen Wein, neues Gebäck und Zigaretten zu holen. Was ihn dort hielt, war der Junge, der in seinem

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