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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
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Zigaretten rauchte, Großmutters Marke, um auf ihre Überfälle vorbereitet zu sein. Die gelbgefärbte Wasserwolke hatte jetzt schon das Ausmaß eines Schwammes angenommen, und das Wasser, das aus der Brause nach oben sprudelte, hielt die Kolonie der sich immer mehr auflösenden, immer heftiger ausfärbenden Tabakflusen von sich ab, und unten auf dem sauberen, blauen Boden der Wanne bewegten sich die schwarzen, verhärteten Aschepartikelchen zu einem geheimnisvollen Sog langsam auf den Abfluß zu. Nella weinte immer noch, und die Tür stand offen, und er schaltete plötzlich das Gas aus, drehte das Wasser ab und zog an der Nickelkette den Stöpsel aus der Wanne und sah die gelbliche Ta Ȭ bakwolke im Strudel verschwinden.
    Er knipste das Licht aus und ging zu Nella hinüber: Sie rauchte und heulte.
    Er blieb in der Tür stehen, und er wunderte sich selbst, wie hart seine Stimme war, als er rief: »Was willst du eigentlich?«
    »Setz dich zu mir«, sagte sie, »komm.« Ihr Lächeln mißlang, und es rührte ihn, das zu sehen; er hatte es nur selten gesehen. Er setzte sich und nahm eine Zigarette aus der Schachtel, die sie ihm hinhielt, und sie fand das Lächeln wieder und ließ es ablaufen, es schien, als drückte jemand heimlich auf einen Knopf Ȭ wie ein Fotograf, der einen Blitzlichtautomaten bedient, bediente sie sich ihres Lächelns Ȭ sie war wegen ihres Lächelns bekannt, aber jetzt ermüdete es ihn, wie ihn auch der Anblick ihrer zarten, weißen Hände ermüdete, die ebenso bekannt waren wie ihr Lächeln, und sie scheute nicht vor den
    In der Badewanne gurgelte der Rest des Wassers hinab: ein kurzes Rülpsen, und das beruhigende Geräusch des ablaufenden Wassers war nicht mehr zu hören.
    »Heiraten«, sagte sie leise, »will ich nicht mehr. Darauf fall ich nicht mehr rein
    Ȭ wenn du willst, werde ich sofort deine Geliebte, du weißt es, und als Geliebte werde ich dir treuer sein, als ich es als Frau sein könnte, aber heiraten werde ich nicht mehr. Seitdem ich begriffen habe, daß Rai tot ist, denke ich oft, daß es besser wäre, gar nicht zu heiraten: wozu dieses Theater, dieser Spuk, dieser tödliche Ernst mit der Ehe Ȭ und der Schrecken der Witwenschaft Ȭ , eine standesamtliche, eine kirchliche Trauung, und ein kleiner Stümper kommt daher und läßt dir deinen Mann abknallen Ȭ drei Millionen, vier Millionen von diesen feierlichen Verträgen werden durch einen Krieg zunichte gemacht: Witwen Ȭ ich bin einfach nicht geeignet, eine Witwe zu sein Ȭ , und ich möchte keines anderen Mannes Frau sein als Rais, und ich möchte keine Kinder mehr haben Ȭ das sind meine Bedingungen.«
    »Meine kennst du«, sagte er.
    »Natürlich«, sagte sie ruhig, »heiraten, den Jungen willst du adoptieren, und wahrscheinlich willst du noch eigene Kinder haben.«
    »Gute Nacht«, sagte er und wollte aufstehen. »Nein, bleib hier«, sagte sie
    ruhig, »jetzt wird ȇ s endlich mal lustig, und du willst gehen. Warum so korrekt, so pedantisch Ȭ warum sich so streng an die Vorschriften halten: Ich seh ȇ s einfach nicht ein.«
    »Um des Jungen willen. Deine Träume sind fast völlig bedeutungslos gegen
    das Leben des Jungen. Schließlich bist du bald vierzig.«
    »Mit Rai wäre alles gut gewesen, ich wäre ihm treu geblieben, und wir hätten noch mehr Kinder gehabt, aber sein Tod hat mich gebrochen, wenn du ȇ s so nennen willst, und ich möchte nicht noch einmal jemandes Frau sein. Du bist praktisch Martins Vater. Genügt dir das nicht?«
    »Ich habe Angst«, sagte er, »daß du jemand anderen heiratest, der dann den
    Jungen bekommt.« »Du liebst den Jungen mehr als mich?«
    »Nein«, sagte er leise, »ich liebe ihn, und dich liebe ich nicht. Dazwischen gibt es kein mehr und kein weniger Ȭ ich kenne dich
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    zu gut, um mich noch in dich zu verlieben, aber du bist schön genug, daß ich
    gern hin und wieder bei dir schlafen möchte Ȭ und das wiederum könnte ich jetzt nicht mehr vollziehen, weil ich oft an Rai denke und der Junge immer um mich herum ist. Ich glaube, genauso ist es.«
    »Oh«, sagte sie, »ich weiß schon genau, warum ich dich nicht heirate: Weil
    du mich nicht liebst.«
    »Aber du redest dir seit kurzem ein, daß du mich liebst. Es paßt in deine Träume.«
    »Nein«, sagte sie, »ich rede es mir nicht ein, und ich weiß, daß es nicht so ist. Aber es geht mir mit dir, wie es dir mit mir geht. Früher nannte man das ein offenes Wort miteinander reden Ȭ aber unsere Worte sind nicht offen genug, öffne die

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