Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
Vom Netzwerk:
dem Himmel, wo meine Ehe wirklich geschlossen wird. Sag nur, daß ich den Tod nicht aus der Welt schaffen kann, sag es.« »Ich wollte es gerade sagen.«
    »Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Ein schöner Spruch, mein Lieber Ȭ du kannst dir was darauf einbilden. Wolltest du nicht auch sagen, daß man ein neues Leben anfangen kann ?«
    »Vielleicht wollte ich es sagen.«
    »Oh, hör auf, das alte war zu schön Ȭ ein neues Leben: Darunter verstehst du eine neue Ehe mit dir.«
    »Verdammt«, rief er, »bilde dir nicht ein, daß ich so furchtbar scharf darauf bin, dich zu heiraten, ich würde es nur aus Vernunftsgründen tun.«
    »Das hört man gern«, sagte sie, »das ist sehr hübsch gesagt, an dir ist ein
    Schmeichler verlorengegangen.«
    »Entschuldige«, sagte er, »so war ȇ s auch wieder nicht gemeint«, er lächelte, »es wäre mir nicht schrecklich, dich zu heiraten.« »Das ist noch hübscher; du würdest sozusagen nicht sterben.« »Quatsch«, sagte er, »du weißt, daß ich dich gern mag, und weißt, daß du eine schöne Frau bist.«
    »Aber nicht dein Typ, was?«
    »Unsinn«, sagte er, »ich bleibe dabei, daß man ein neues Leben anfangen könnte.«
    »Geh jetzt«, sagte sie, »geh.«
    Es war ganz hell geworden. Er stand auf und zog die grünen Vorhänge wieder zu. »Gut«, sagte er, »ich gehe.«
    »Insgeheim«, sagte sie, »denkst du, daß ich kirre werde und dich heirate, aber
    du täuschst dich.« »Willst du noch ins Badezimmer?« »Nein«, sagte sie, »ich wasche mich in der Küche, geh nur.«
    Er ging ins Badezimmer, drehte den Wasserhahn auf und zündete das Gas an.
    Er legte die Brause wieder so, daß das Wasser einfließen konnte, ohne Geräusch zu machen, dann hängte er die Armbanduhr an den Nagel, in den sonst die Handbrause eingehängt war. Er ging zu Nella, die sich in der Küche die Zähne putzte.
    »Du vergißt«, sagte er, »daß wir schon einmal versucht haben, so zu leben, wie du möchtest. Du vergißt überhaupt sehr viel.« Sie spülte den Mund aus, setzte das Glas ab und fuhr gedankenlos mit den Fingern über die Wandplatten.
    »Ja«, sagte sie, »damals wollte ich es nicht — wegen des Kindes — es war
    noch so klein Ȭ , und ich konnte nicht. Verzeih mir, daran dachte ich gar nicht mehr...«

    Damals, kurz nach dem Krieg, hatte er sie heftig begehrt. Sie war die erste Frau, mit der er, nach fünfjährigem Zusammensein mit Männern, unter einem Dach schlief, und sie war eine schöne Frau. Wenige Tage nach seiner Heimkehr hatte er nachts einfach Rock und Hose übers Nachthemd gezogen und war barfuß in ihr Zimmer gegangen. Sie hatte noch Licht, saß lesend im Bett, hatte einen großen schwarzen Wollschal um ihre Schultern gewickelt, und der große elektrische Heizofen, der defekt war und dessen Drähte leise summten, stand neben ihrem Bett. Sie lächelte, als er hereinkam, sah dann seine nackte Füße und rief: »Mein Gott, du erkältest dich Ȭ setz dich her.« Es war kalt draußen, und im Zimmer roch es nach Kartoffeln, die säckeweise in die Kleiderschränke gestapelt waren, weil im Keller schon ein paarmal geklaut worden war.
    Nella klappte das Buch zu, deutete auf das alte Lammfell, das vor ihrem Bett
    lag, und warf ihm eine dicke rote Strickjacke zu. »Wickle dir das um die Füße.« Er sagte nichts, setzte sich, wickelte sich die Jacke um seine Füße und nahm sich eine Zigarette aus der Packung, die auf ihrem Nachttisch lag. Er hockte sich ein wenig hoch und spürte die wohltuende Wärme des glühenden Heizofens. Sie sagte nichts, und sie lächelte nicht mehr. Das Kind, das in einem rollbaren Bettchen neben dem Bücherschrank schlief, war erkältet und schnarchte regelmäßig. Ohne Make Ȭ up sah Nella älter aus als am Tage, blaß
    war sie auch und müde, und ihr Atem, der bis zu ihm drang, roch intensiv
    Buch, das sie auf dem Nachttisch liegen hatte: Therese Desque Ȭ roux. Unten im
    Fach des Nachttisches lag ihre Unterwäsche, unordentlich übereinandergeworfen. Es war ihm peinlich, so plötzlich und ohne anzuklopfen bei ihr eingedrungen zu sein, und er blickte beharrlich an ihrem Gesicht vorbei auf die Wand, an der das Foto von Rai hing, oder vorne vors Bett, und er sah auch, wenn er vorne vors Bett blickte, Rais Gesicht mit einer penetranten Deutlichkeit: kein friedliches, ein zorniges Gesicht, das Gesicht eines Mannes, der zornig war über diesen zufälligen, sinnlosen Tod.
    »Magst du einen trinken?« fragte Nella, und er war ihr dankbar, daß sie ein

Weitere Kostenlose Bücher