Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böl
Vom Netzwerk:
Worte, wenn du willst.«
    Albert wollte aufstehen, umhergehen oder vom Fenster aus sprechen, aber er hatte zu oft in Filmen gesehen, wie Männer, die sich mit Frauen offen aussprachen, aufstanden und umhergehend redeten, und so blieb er in dem unbequemen Sessel sitzen und nahm eine Zigarette aus der Schachtel, die Nella ihm hinhielt.
    »Mein Gott«, sagte er, »schon von Liebe zu sprechen ist natürlich Unsinn;
    würden wir nicht beide laut lachen, wenn ich eines Tages zu dir sagte: >Ich liebe dich.. .<« »Ich glaube schon«, sagte sie.
    »Und es ist natürlich eine andere Sache, bei der Witwe eines Freundes zu
    schlafen, als sie zu heiraten Ȭ und eine Frau heiraten, die Träume einnimmt, wie man Morphium schluckt, bewußt und gierig Ȭ das würde ich nur um Martins willen tun, aber es scheint mir, daß man eine Frau allein um eines Kindes willen eben nicht heiraten sollte Ȭ es wird mir heute erst klar.« Nella weinte, und er stand doch aus dem Sessel auf und ging im Zimmer umher, rastlos und unruhig, obwohl er es schon so oft in Filmen gesehen hatte.
    »Nur eins«, sagte er, »kann ich und können wir alle wohl von dir um des
    Jungen willen erwarten: daß du ein wenig vorsichtiger bist.«
    »Du täuschst dich, wie ihr euch alle über mich täuscht, ihr haltet mich für eine halbe Hure, aber seit Rais Tod habe ich nicht einen Mann wirklich gehabt.«
    »Um so schlimmer«, sagte er, »daß du sie mit deinem Lächeln

92
    aufdrehst, wie man Spielzeughähne aus Blech aufdreht. Ach, wir sollten trotzdem heiraten Ȭ wir könnten still und vernünftig mit dem Kind leben, brauchten uns um all die Vollidioten nicht zu kümmern, die unsere Zeit stehlen; in ein anderes Land ziehen, aus dem ganzen verfilzten Rummel heraus, und eines Tages vielleicht würde das, was man bisher Liebe genannt hat, vielleicht wie ein plötzlicher Regen, wie ein Gewitter über uns kommen Ȭ Rai ist tot«, sagte er, und er wiederholte es lauter und härter: »Rai ist tot.«
    »Es hört sich fast an«, sagte sie, »als wärest du befriedigt darüber.«
    »Du weißt, daß es für mich nicht weniger schlimn war, ihn zu verlieren, als für dich Ȭ nur auf eine andere Weise schlimm. Ich glaube, daß es mehr Frauen gibt, mit denen man verheiratet sein, als Männer, die man zum Freund haben könnte. Frauen, mit denen man hin und wieder mal schlafen könnte, gibt es aber unzählige. Jedenfalls Rai ist tot... Und es gibt nur wenige Möglichkeiten für dich: eine Witwe zu sein oder die Frau eines anderen Mannes; du aber versuchst in einem Zwischenstadium zu leben, in einer Kategorie, die es nicht gibt.«
    »Die aber vielleicht im Entstehen ist«, sagte sie heftig, »eine Kategorie, die noch keinen Namen hat, aber vielleicht einen bekommen wird. Oh, ich hasse euch alle, weil ihr zulaßt, daß das Leben weitergeht. Vergessen streuen über den Mord, wie man Asche über Glatteis streut. Der Kinder wegen, ja der Kinder wegen, das hört sich herrlich an, und es ist ein herrliches Alibi: neue Witwen aufziehen, neue Männer, die abgeknallt werden und Frauen zu Witwen machen können. Neue Ehen gründen, oh, ihr Stümper, fällt euch nichts Besseres ein? Oh, ich weiß, ich weiß«, sie stand auf, setzte sich in einen anderen Sessel und blickte auf Rais Bild über ihrem Bett. »Ich weiß«, sagte sie heftig und ahmte Pater Willibrords Tonfall nach. »Das Kind und das Werk ihres Gatten betreuen«, und weiterhin: »Die Ehe ist ein Geheimnis. Ehen werden im Himmel geschlossen. Und sie lächeln dabei, wie Haruspices lächeln. Und sie beten in ihren Kirchen dafür, daß die Männer ausziehen, tapfer und frisch Ȭ fromm Ȭ fröhlich Ȭ frei, damit die Witwenfabrik weiterläuft. Briefträger gibt es genug, die die Botschaft ins Haus bringen, auch Pfarrer gibt es genug, die es einem schonend beibringen. Oh ja, wenn einer weiß, daß Rai tot ist, dann weiß ich es. Ich weiß, daß er nicht mehr bei mir
    ist, daß er nicht mehr kommt, nie mehr kommen wird auf dieser Welt, ich weiß genau Ȭ und ich fange an, dich zu hassen, weil du ernsthaft vorzuhaben scheinst, aus mir zum zweitenmal eine potentielle Witwe zu machen. Wenn man früh genug anfängt, mit sechzehn meinetwegen, dann kann man bis zu seinem seligen Ende gut und gerne fünf Ȭ bis sechsmal Witwe werden und immer noch am Ende so jung sein, wie ich bin. Feierliche Schwüre, feierliche Verträge Ȭ und sanft und lächelnd das Geheimnis hingesprochen: Ehen werden im Himmel geschlossen. Schön Ȭ dann sehne ich mich nach

Weitere Kostenlose Bücher