Hausbock
gesehen, von
dem sie sich keine guten Ratschläge geben lassen wollten. Er hat einmal in
Titting im Bräustüberl einen Vortrag über die Sanierung von Jurahäusern
gehalten. Wie wunderbar es sich in diesen Häusern lebt, wie wertvoll sie sind.
Aber dann hat der Herr Doktor begonnen, seine Zuhörer zu beschimpfen, bloß weil
ihm ein paar Leute Kontra gegeben haben. Er hat einzelne Hausbesitzer hier aus
der Gemeinde bloßgestellt. Er hat sich Feinde gemacht. Es wurde ein Fiasko. Es
war für ihn eine herbe Enttäuschung, dass es ihm nicht gelang, den Funken
überspringen zu lassen. Dass die Leute ihm nicht glauben wollten.«
Morgenstern nickte. »Das Schicksal vieler Missionare.«
Hecht blickte zur Wiese mit dem Apfelbaum hinüber, wo der tote
Rupert Ledermann unter der Silberfolie lag und in Kürze abtransportiert werden
würde. »Und was wird aus allzu eifrigen Missionaren?«
Die anderen sahen ihn fragend an.
»Sie werden Märtyrer.«
DREI
Die Suche nach Aurelius Ledermann, Rechtsanwalt in Düsseldorf,
erwies sich als einfach. Rechtsanwälte brauchen Werbung, und so reichte ein
Blick ins Internet, um Ledermann junior als Partner einer kleinen Kanzlei
direkt am Rheinufer auszumachen. Dankenswerterweise fand sich auch noch eine
Handynummer.
Morgenstern saß am Sonntagmittag missmutig in seinem Büro im
Polizeipräsidium und blickte auf sein Telefon. Da oben, im sonnigen Rheinland,
war ein ahnungsloser Mann, der noch nicht wusste, dass von einer Sekunde auf
die andere das schwarze Tuch der Trauer über ihn geworfen werden würde. Und der
Werfer war kein anderer als Morgenstern – Hecht war im Nachbarbüro dabei,
Ledermanns Tochter Raphaela zu ermitteln.
Bedrückt tippte Morgenstern die Zahlen der Handynummer. Es klingelte
dreimal, dann meldete sich eine Männerstimme: »Ja bitte?«
»Sind Sie Aurelius Ledermann?«, fragte Morgenstern.
»Ja, warum?«
»Mein Name ist Morgenstern, ich bin Kriminaloberkommissar bei der
Kripo in Ingolstadt. Und ich habe leider traurige Nachrichten für Sie. Ist
jemand bei Ihnen?«
»Nein, nun reden Sie schon. Was gibt es? Was ist passiert? Kripo
Ingolstadt, haben Sie gesagt? Ist etwas mit meinem Vater?«
Morgenstern merkte, dass der junge Anwalt rasch von Begriff war.
»Leider ja, Herr Ledermann. Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen
mitzuteilen, dass Ihr Vater heute Nacht ums Leben gekommen ist. Die
Schwarzmühle ist abgebrannt. Wir haben seinen Leichnam geborgen. Man konnte
nichts mehr für ihn tun.«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still, totenstill.
Erst nach einer halben Minute wagte Morgenstern, wieder etwas zu
sagen. »Herr Ledermann, sind Sie noch dran?«
»Ja, natürlich bin ich noch dran«, kam es aus der Leitung. »Ich bin
nur etwas … wie soll ich sagen, schockiert.«
»Herr Ledermann, wir werden Sie hier unten in Bayern brauchen. Es
wäre gut, wenn Sie so rasch wie möglich kommen könnten.«
»Ein Brand, haben Sie gesagt. Mein Vater ist bei dem Brand umgekommen?«
»Nun, ähm, nicht direkt. Man hat ihn tot vor dem Haus gefunden. Mit
einer schweren Kopfverletzung.«
Wieder wurde es still, und Morgenstern glaubte, im fernen Düsseldorf
ein leises Schluchzen und Schniefen zu hören.
»Wann können Sie da sein, Herr Ledermann?«
»Wann Sie wollen, Herr Kommissar. Diese Kopfverletzung – können
Sie mir dazu etwas sagen?«
»Ungern am Telefon. Es wäre schön, wenn Sie morgen früh zu mir ins
Polizeipräsidium in Ingolstadt kommen könnten.« Er gab seine Telefonnummer
durch, und Ledermann versprach, am Morgen um neun Uhr in Ingolstadt zu sein.
»Wann waren Sie denn zuletzt bei Ihrem Vater?«, fragte Morgenstern.
Wieder glaubte er, ein Schniefen zu hören.
»An Weihnachten. Nein, ich war auch noch einmal an Ostern da, habe
auf der Durchreise nach Italien bei ihm eine Zwischenstation eingelegt,
zusammen mit meiner Lebensgefährtin Laura.«
»Ah ja«, sagte Morgenstern. »Noch eine Frage: Wissen Sie, wo wir
Ihre Schwester erreichen können? Haben Sie eine Adresse von ihr, eine
Telefonnummer?«
»Raphaela?«, fragte Ledermann. »Moment, da brauche ich erst mein
Adressbuch.« Er blätterte offenbar eine Weile, doch dann hatte er die Nummer
gefunden. »Sie wohnt in Hamburg, ich habe nur eine Handynummer von ihr, aber
die ist schon ziemlich alt.« Er zögerte. »Sie, ich meine Raphaela, sie hat sich
ein bisschen von uns wegbewegt, von mir und von meinem Vater erst recht. Auch
von unserer Mutter.«
»Ich verstehe«, sagte Morgenstern. »Und was macht sie
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