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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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verabscheuungswürdiger Büttel des Schweinesystems.
    »Wer sind Sie? Und was geht mich mein Vater an?«, fragte die junge
Frau misstrauisch.
    »Was Sie Ihr Vater angeht, müssen Sie ganz allein entscheiden. Meine
Aufgabe ist es, Ihnen eine traurige Mitteilung zu machen«, sagte Hecht
bedächtig. »Ihr Vater ist gestern Nacht an der Schwarzmühle ums Leben gekommen.
Bei einem Brand. Und ich bin Kriminalpolizist in Ingolstadt. Wir versuchen, die
Hintergründe dieses Unglücks herauszufinden.«
    Auf der anderen Seite herrschte Schweigen. Schließlich sprach Hecht
einfach weiter. »Ihr Bruder und Ihre Mutter kommen morgen nach Ingolstadt ins
Polizeipräsidium. Ich weiß, dass es eine große Anstrengung für Sie ist, aber
vielleicht könnten Sie ebenfalls da sein, morgen um neun Uhr.« Immer noch gab
es keine Antwort. »Sie könnten einen Nachtzug nehmen von Hamburg, einen
Intercity.«
    Er zögerte kurz. »Unter gewissen Umständen könnten wir auch für die
Kosten der Bahnkarte aufkommen.«
    Morgenstern stellte sich Raphaela Ledermann als Punk vor, als
Wohngemeinschaftsterroristin mit schwarzen Klamotten, Nietengürtel und jeder
Menge Piercings. Er wusste, dass solche Leute bei Hecht unter der Rubrik
»Gschwerl« rangierten: junge Menschen, die überall, wo sie auftraten, Probleme
machten. Ohne persönliche Perspektive, ohne Respekt vor Autoritäten. Und
natürlich ohne einen Cent in der Tasche.
    »Ich werde es mir überlegen«, sagte Raphaela Ledermann. Im
Hintergrund war das Bellen eines Hundes zu hören. »Halt mal die Schnauze«,
befahl sie, und einen Moment lang dachte Morgenstern fassungslos, Hecht sei
damit gemeint. »Um meine Anreise machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte sie.
»Aber noch etwas: Wenn Sie mal wieder jemanden anrufen wegen einer Leiche oder
so, einen Angehörigen: Dann sagen Sie als Erstes ›Herzliches Beileid‹,
kapiert?«
    »Kapiert«, antwortete Hecht perplex und schob tatsächlich ein
gemurmeltes »Mein Beileid« hinterher. Dann legte die junge Frau auf.
    Morgenstern sah, dass Hecht rot geworden war. »Die hat dich auf dem
falschen Fuß erwischt, was?«, grinste er. »Ausgerechnet du, der du immer so
viel Wert auf deine gute Kinderstube legst, fällst bei der Tochter eines Toten
mit der Tür ins Haus. Bloß weil sie das schwarze Schaf der Familie ist.«
    »Muss wohl wieder mal in einen Psychologie-Auffrischungskurs«,
brummelte Hecht schuldbewusst. »Aber das Wichtigste ist: Wir haben die ganze
Verwandtschaft zusammen.«
    »War deine Idee. Mal unter uns: Was bringt uns das eigentlich?«
    Hecht schaute ihn konsterniert an. »Wie, was bringt uns das? Das
macht man halt so. Das familiäre Umfeld abklopfen. Die wissen immer am
meisten.«
    »Die Familie Ledermann? Die weiß so wenig wie wir, was der alte Herr
in letzter Zeit in der Mühle gemacht hat, scheint mir.« Morgenstern suchte nach
einem griffigen Vergleich. »Wahrscheinlich weiß sogar der Postbote mehr als
sie.«
    Er konnte nicht ahnen, wie recht er damit hatte.
    Als Morgenstern nach Hause kam, war Fiona mit den Kindern ausgeflogen.
Ein Zettel auf dem Küchentisch informierte ihn: »Sind bei einer öffentlichen
Hausbesichtigung, Kapellbuck 19«.
    »Oh nein!«, stöhnte Morgenstern und wunderte sich, dass die Kinder
mitgegangen waren. Vermutlich hatte ihnen Fiona keine Wahl gelassen. Ihm fiel
ein, dass er in der Tasche noch das Programmheft der Jurahaus-Woche herumtrug,
zog es heraus und blätterte nach. Heute, am Sonntag, waren zwei Häuser zu
besichtigen. Eines bei Treuchtlingen, das andere in Eichstätt am Kapellbuck.
    Der Kapellbuck befand sich am westlichen Ende der Eichstätter
Altstadt. Gleich hinter dem Benediktinerinnenkloster St. Walburg entsprang
mitten aus einer senkrechten Felswand eine eiskalte Quelle, die einen kleinen
Teich voller Forellen speiste und dann als Bach der Altmühl zustrebte; vorher
allerdings trieb er noch ein Mühlrad an. Die Morgensterns waren immer wieder
mal dort gewesen, um die Forellen zu füttern. Umsäumt waren Teich und Bach von
dicht an dicht stehenden alten Häusern, die von Touristen kaum zu findende Ecke
galt als Eichstätts »Malerwinkel«.
    Das Haus mit der Nummer 19 lag an einer schmalen Straße hoch
über dem Teich und befand sich mitten im Umbau. Der Putz war abgeschlagen,
darunter kam Fachwerkgebälk zum Vorschein. Vor dem Haus standen diskutierend
einige Besucher und Nachbarn, die meisten Interessenten wie auch Fiona und die
Kinder waren wohl im Inneren unterwegs. Morgenstern hatte

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