Hausbock
rückwärtigen Bereich nutzen Sie
dann für Funktionsräume. Fürs Badezimmer. Oder eine Speisekammer.«
»Oder als Reifekammer für Schimmelkäse«, sagte Morgenstern grinsend.
»Gorgonzola à la Jura.« Fiona warf ihm einen strafenden Blick zu.
»Wir sollten uns erst einmal die einzelnen Räume ansehen«, empfahl
die Maklerin mit einem gequälten Lächeln. »Kommen Sie, Frau Morgenstern. Hier
ist die gute Stube.« Sie öffnete eine niedrige Tür. Morgenstern stieß sich beim
Durchgehen prompt äußerst schmerzhaft den Kopf an. Die Kinder kicherten.
»Die Räume sind alle weitgehend leer. Der Verein hat das Mobiliar,
so weit möglich, verkauft. Sie haben also freie Bahn und könnten sofort mit der
Renovierung loslegen.« In den Fensternischen des kahlen, niedrigen Raumes
standen verdorrte Geranienleichen in Tontöpfen.
Die Maklerin öffnete eine weitere Tür. »Und hier haben wir noch eine
original erhaltene Ruaßkuchl.«
»Eine was?«, fragte Morgenstern.
»Toll«, schwärmte Fiona und versuchte, das Wort »Ruaßkuchl«
möglichst authentisch zu wiederholen. »Das ist eine kleine Küche mit einem
offenen Kamin.«
»Was du alles weißt«, sagte Morgenstern. »Aber so was braucht doch
heutzutage kein Mensch mehr.«
Die Morgenstern-Kinder starrten staunend auf die altertümliche
Herdstelle, deren Kamin an die Esse einer Schmiede erinnerte. Schwarz
schimmerte im Rauchabzug das Pech, das sich im Laufe vieler Jahrzehnte an den
Wänden angesammelt hatte. Im Nu hatten sich die Kinder die Finger rußig gemacht
und begannen, sich kichernd gegenseitig die Gesichter schwarz zu malen.
»Aufhören, aber sofort!«, befahl Morgenstern unwirsch.
»Wir haben hier im Haus auch noch einen original erhaltenen
Brotbackofen«, erklärte die Maklerin. »Frau Morgenstern, das ist doch was für
Sie.«
Fiona nickte fasziniert.
»Und wo ist das Bad?«, fragte Morgenstern.
»Ähm …« Erstmals wurde die Maklerin verlegen. »Das Bad? Die
früheren Bewohnerinnen, äh, sie hatten kein Bad, jedenfalls nicht direkt.«
»Was denn dann?«, bohrte Morgenstern nach.
»Das Haus, Sie sehen es ja selbst, ist noch auf Vorkriegsniveau. Die
Menschen hier haben in einer Zinkwanne gebadet, direkt in der Küche. So war das
halt damals.«
»Wie lange, sagten Sie noch mal, war das Haus bewohnt?«
»Bis vor etwa zehn Jahren.«
»Ich fass es nicht«, sagte Morgenstern. »Ich dachte immer, so etwas
gibt es nur noch im äußersten Osteuropa.«
»Nun freuen Sie sich doch.« Die Maklerin fand zu alter Souveränität
zurück. »Es ist alles weitgehend unverändert.«
»Und der Preis?«, fragte Fiona. »Im Inserat stand etwas von Verhandlungssache.«
»Die Tierschützer erwarten sich mindestens sechzigtausend Euro.«
Morgenstern pfiff durch die Zähne.
»So billig«, fragte Fiona überrascht und biss sich im selben Moment
auf die Zunge.
Die Maklerin lächelte. »Es ist ja doch noch einiges zu machen.«
»Man muss natürlich viel Geld reinstecken«, sagte Fiona vorsichtig.
»Ist das Dach denn in Ordnung?«
»Das Legschieferdach? Ein paar Kleinigkeiten müssten gemacht werden,
aber die Substanz ist gut.«
»Sechzigtausend Euro, höchstens«, wiederholte Morgenstern bedächtig.
Die Maklerin lächelte. »Ein echtes Schnäppchen. Und in der alten
Scheune haben Sie einen erstklassigen Stellplatz für Ihr Auto. Das ist in der
Altstadt ein Wert für sich. Davon können andere nur träumen.«
»Ach, unser alter Landrover«, meinte Morgenstern. »Machen Sie sich
um den keine Sorgen. Den klaut keiner.«
Die Maklerin musterte Morgenstern, schien erst jetzt seine Stiefel
zu bemerken und fügte hinzu: »Und wenn Sie ein Motorrad haben oder sich eines
Tages eines zulegen wollen, haben Sie auch dafür Platz, Herr Morgenstern.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Fiona erstaunt. Aber Morgenstern
hatte mit einem Mal ein seltsames Leuchten in den Augen.
»Ich würde mir jetzt gerne mal in aller Ruhe alles andere ansehen.«
Die Maklerin nickte zufrieden. Dieser Fisch hing am Haken.
»Sagen Sie mal«, fragte Fiona, als sie schließlich vom kleinen mittelalterlichen
Gewölbekeller bis zum niedrigen Speicher mit einer winzigen Dachkammer alles
besichtigt hatten, »wie vielen Leuten haben Sie dieses Haus eigentlich schon
gezeigt?«
Die Maklerin lächelte. »Das ist so etwas wie ein Betriebsgeheimnis.
Aber ich kann Ihnen versichern: Sie haben noch Chancen … Wenn Sie sich mit
Ihrer Entscheidung nicht allzu lange Zeit lassen.«
Die Morgensterns sahen
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