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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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aber,
ungefähr fünf Jahre.«
    »Also in etwa genauso lange wie die Spenden an die
Denkmalschutz-Stiftung.«
    Hecht blieb stehen, kramte in seiner Tasche und holte die Auszüge
heraus. »Haben wir gleich … Ah, da ist es. August, Juli. Genau
gleichzeitig. Er muss der Bank beide Aufträge am selben Tag erteilt haben.
Damals gingen die fünfhundert Euro für die Tochter aber noch an die Sparkasse
in Eichstätt. Logo, da war sie noch nicht in Hamburg.«
    Der Viktualienmarkt lag in der Nähe des Stadttheaters und hatte den
Status einer Fressmeile.
    Die Stadt hatte eine Reihe von gleichartigen modernen Imbissbuden
errichten lassen, flankiert von zahlreichen Biertischgarnituren, an denen schon
jetzt kaum noch ein Platz zu bekommen war. Das heißt, eigentlich hätte es
durchaus genügend freie Plätze gegeben, aber bei näherem Hinsehen fanden die
beiden Ermittler keinen Tisch, an dem nicht bereits einige biertrinkende
Stammgäste mit deutlich abweisender Körpersprache allein gelassen werden
wollten.
    »Oh mei«, stöhnte Hecht. »Ich wollte eigentlich nur ein paar Weißwürste
essen, stattdessen muss ich mich hier mit dem Schanzer Gschwerl
auseinandersetzen.«
    »Ziemlich viel Kundschaft von uns«, sagte Morgenstern, nachdem er das
Publikum gemustert hatte.
    »Dabei bilden sich die Schanzer so viel auf ihren Viktualienmarkt
ein.« Hecht blickte noch einmal ratlos über die Tischreihen, dann entdeckte er
schließlich doch eine freie Biertischgarnitur. »Na also«, freute er sich,
»jetzt wird es doch noch was mit meinen Würsten«, und marschierte mit eiligen
Schritten los, um ihnen den Platz zu sichern.
    Der Nachbartisch war von fünf rotgesichtigen älteren Zechern belegt,
die lautstark die zentralen Weltthemen diskutierten, im konkreten Fall die
Position des FC Ingolstadt 04 in der
zweiten Fußball-Bundesliga. Morgenstern setzte sich, während Hecht für sie
beide Weißwürste holte und dazu – auch wenn es überhaupt nicht passte –
je eine Tasse »frisch gebrühten Kaffee«, wie er ausdrücklich betonte.
    Morgenstern konnte angesichts der Lautstärke, in der sie sich
ereiferten, nicht umhin, den Frühschoppen-Fans in seinem Rücken zu lauschen.
Dem FC Ingolstadt konnten sie demnach wenig
abgewinnen, anscheinend weinten sie zwei anderen Ingolstädter Fußballclubs
nach, aus deren Fusion vor einigen Jahren der neue Club entstanden war.
Nostalgiker, dachte Morgenstern und hörte, wie sich die Herren über die
Entwicklung der Stadt im Allgemeinen ausließen. Nicht einmal das Ingo-Bräu gebe
es mehr, ein schmerzlicher Verlust, erfuhr er, und dass man gespannt sein
müsse, was aus dem riesigen Brauereigelände am Rand der Altstadt einmal werden
solle. Morgenstern kannte das Brauereiareal, schließlich lag es genau zwischen
der Polizeidirektion und dem Stadtkern mit der Fußgängerzone.
    »Immer dieser Denkmalschutz, das sind die schlimmsten Verhinderer«,
schimpfte einer der Biertrinker.
    »Aber die modernen Architekten sind auch nicht besser«, hielt ein
anderer dagegen. »Schau dir bloß unseren Rathausplatz an. Mit der Sparkasse und
dem neuen Rathaus. Alles wie geschleckt. So was passt doch nicht nach
Ingolstadt.«
    Morgenstern dämmerte, was dieser Runde als städtebauliches Ideal
vorschwebte: der exakte Erhalt des Status quo aus den 1970er Jahren, gerne auch
der 1960er. Mit den Fußballclubs MTV und ESV , mit einer überschaubaren Autofabrik, von der am
Stammtisch hartnäckig als »Union« gesprochen wurde statt von Audi. Gut möglich,
dass viele ältere Ingolstädter mit der rasanten Entwicklung ihrer Stadt nicht
Schritt halten konnten und wollten, dachte er. Die boomende, reiche Stadt wuchs
den Kleinbürgern über den Kopf.
    Hecht kam mit Weißwürsten und Kaffee. »Mahlzeit«, sagte er.
Genüsslich begannen die beiden mit dem Verzehr.
    »Ich brauch nie ein Besteck, ich zuzel meine Weißwürste«, sagte
Hecht, nahm eine Wurst, tunkte sie in den großen Klecks süßen Senfs und steckte
sie sich in den Mund. Mit einem sonderbaren Saugen holte er den Inhalt aus der
Pelle. Morgenstern sah erst fasziniert, dann eher angeekelt zu, wie Hecht die
blässlich-weiße Wursthaut wie einen alten, schrumpeligen Luftballon zur Seite
legte. Morgenstern selbst säbelte mit Gabel und Messer große Stücke von seiner
Wurst, was wiederum Hecht mit einem Kopfschütteln verfolgte.
    »Du isst die Haut mit«, stellte er fest. »Ist ja widerlich.«
    »Nächstes Mal nehme ich Bratwürste.« Morgenstern friemelte sich ein
Stückchen

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