Hausbock
Hauptgewinn, dann wäre
ich alle Sorgen los«, sagte er. »Hauskauf, Amerikareise, Motorradführerschein.«
Hecht sah ihn skeptisch an. »Dann mal los, mach auf!«
Wie in Zeitlupe klappte Morgenstern das gelbe Stück Papier
auseinander. Er kniff die Lippen zusammen. »Einen Euro oder ein Freilos«, las
er vor. »Was mach ich jetzt?«
»Nimm den Euro und steck ihn ein«, empfahl Hecht. »Der Spatz in der
Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.«
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, hielt Morgenstern dagegen. »Ich
glaube, ich habe gerade einen Lauf.« Er orderte das Freilos, öffnete es genauso
umständlich wie das erste, las kurz, knüllte das Papier zusammen und warf es enttäuscht
in einen Mülleimer. »Leider nicht«, zitierte er das wenig überraschende
Resultat seiner plötzlichen Zockerleidenschaft. »Was meinst du, soll ich mir
noch eins kaufen?«
»Quatsch mit Soße«, war Hechts unmissverständlicher Kommentar,
gefolgt von der Imitation einer schnarrenden Radiowerbungstimme:
»Spielteilnahme erst ab achtzehn Jahren. Glücksspiel kann süchtig machen.«
Morgenstern steckte die Hände tief in die Hosentaschen und trottete
weiter. »Der Hauptgewinn, das große Los, das wäre es. Wenn ich einmal nach
Amerika fahre, dann mit Sicherheit auch nach Las Vegas. Auf eine Runde Poker.«
»Mach dich nicht lächerlich, Mike. Wetten, dass du noch nicht mal
Schafkopf kannst?«
»Na und. Aber Mau-Mau.«
»Viel Glück damit in Las Vegas.«
Sie hatten die Direktion erreicht. »Jetzt kümmern wir uns um unseren
Serben«, sagte Morgenstern. »Ob der wohl auch ein Zocker ist?«
»Durchaus möglich«, meinte Hecht. »Ich tippe auf Fußballwetten.«
»Manipulierte?«
»Was denkst du denn. Nur dumme Menschen setzen in Geldfragen aufs Glück.
Echte Spieler sind am Ende immer Verlierer, merk dir das.«
»Danke für die Predigt. Und das alles bloß wegen eines einzigen
Bayernloses.«
»Zwei Lose. Es waren zwei!«
ACHT
»Da wundert es mich nicht mehr, dass Elvira Ledermann wollte, dass
wir ihren Lebensgefährten in Frieden lassen«, jubelte Hecht, als er einige Zeit
später mehrere Blatt Papier mit Starcevic-Informationen in Händen hielt. »Schau
dir das an: mehrfach vorbestraft wegen Autodiebstahls und Erpressung.«
Morgenstern überflog die Blätter. »Da hat sich Frau Ledermann aber
ein echtes Herzchen angelacht. Der Bursche riecht dreißig Meter gegen den Wind
nach organisierter Kriminalität. Den will ich hierhaben.«
Morgenstern rief in München bei Elvira Ledermann an und bekam sie
direkt an den Apparat. Sie versprach, noch am Nachmittag in Begleitung ihres
Lebensgefährten Dragan Starcevic nach Ingolstadt zu kommen. Das lasse sich
problemlos einrichten, auch für ihren Freund. Als selbstständiger Kaufmann
könne er den Nachmittag gewiss freimachen. Was die Polizei denn konkret von
Starcevic wissen wolle? Morgenstern blieb die Antwort schuldig. Dafür hatte er
aber noch eine weitere Frage, die ihn schon länger beschäftigte:
»Ich würde gerne wissen, ob Ihr Exmann eine neue Lebensgefährtin
hatte.«
»Eine neue Lebensgefährtin hatte er bestimmt nicht, das wüsste ich«,
kam es kurz angebunden zurück.
»Hatte er einen guten Freund, jemanden, zu dem er ein besonderes
Vertrauensverhältnis hatte?«
»Einen guten Freund …?«, sagte Elvira Ledermann.
Es blieb für eine ganze Weile still in der Leitung, sodass Morgenstern
schon dachte, das Gespräch wäre unterbrochen.
»Also, einen gab es da, jetzt, wo Sie mich so fragen«, sagte sie schließlich.
»Mit dem hat er sich regelmäßig zum Schachspielen getroffen. In Eichstätt.«
»Und wer ist das?«, fragte Morgenstern.
»Der Stadtbaumeister. Der Leiter der Bauverwaltung im Rathaus.
Baisler. Erich Maria Baisler. Die beiden kannten sich schon ewig. Sie sind
gleich alt und kommen aus derselben Ecke in Oberfranken. Wie es der Zufall
will, hat es sie eines Tages beide in den Landkreis Eichstätt verschlagen.«
»Vielen Dank, Frau Ledermann, dann sehen wir uns also heute
Nachmittag. Da können wir alles Weitere besprechen.«
»Haben Sie denn schon etwas herausgefunden?«, fragte sie.
»Noch keine ganz heiße Spur«, gab Morgenstern zu. »Aber wir sind
dran.«
Er zögerte kurz, doch dann fragte er kurz entschlossen: »Da gibt es
noch ein Detail, das uns aufgefallen ist. Wussten Sie eigentlich, dass Ihr Mann
Monat für Monat fünfhundert Euro an Ihre Tochter überwiesen hat und noch mal
dieselbe Summe an eine Stiftung für Denkmalschutz?«
Auf der
Weitere Kostenlose Bücher