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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Petersilie aus den Zähnen. »Ich weiß echt nicht, was an diesen
Weißwürsten so besonders sein soll.«
    »Sie gehören halt zu Bayern wie die Berge oder wie die Lederhosen«,
meinte Hecht.
    Morgenstern sah sich demonstrativ um. »Ich sehe hier weder Berge
noch Lederhosen«, sagte er. »Alles, was ich sehe, könnte auch in Castrop-Rauxel
sein.«
    »Du altes Lästermaul«, gab Hecht zurück. »Ingolstadt ist reinstes
Oberbayern, immer schon.«
    »Dann fehlt bloß noch, dass die Leute die Stadt als Urlaubsparadies
entdecken.« Morgenstern schüttelte den Kopf. »Besuchen Sie die aufstrebende
Großstadt im Herzen Bayerns. Erleben Sie bodenständigen Charme zwischen der
Raffinerie Petroplus und dem Audi-Werksgelände … – Wo fährst du
eigentlich dieses Jahr in Urlaub hin?«, fragte er dann. »Hast du schon Pläne?«
    »Ich weiß nicht recht. Vielleicht fahre ich ein paar Tage in die Berge.«
Hecht machte einen unglücklichen Eindruck. »Allein macht es halt keinen Spaß.«
Er zuzelte an seiner zweiten Weißwurst. »Früher, als wir noch verheiratet
waren, Angelika und ich, haben wir weite Reisen gemacht. Mit meinem Fiat
Ritmo.«
    »Wo ging es denn hin?«, fragte Morgenstern, mehr aus Höflichkeit.
    »Wir sind am liebsten nach Jugoslawien gefahren.« Hechts Augen
leuchteten bei der aufkeimenden Erinnerung an glücklichere Tage. »Ans Meer. Erst
nach Istrien, aber dann sind wir immer mutiger geworden. Sind immer weiter
gefahren, nach Zadar und sogar bis nach Dubrovnik. Schön war es da, so schön.«
Hechts melancholischer Dackelblick ging in die Ferne. Dann lächelte er gequält.
»Aber jetzt fahre ich da nicht mehr hin«, sagte er kategorisch. »Seit es diesen
Krieg gab.«
    »Hä?«, staunte Morgenstern. »Der Jugoslawienkrieg? Der ist doch
schon Ewigkeiten her. Das ist Schnee von gestern.«
    »Ich mag aber nicht mehr. Ich hatte da so schöne Zeiten. Und dann fallen
die Leute übereinander her, bloß weil der eine Kroate ist und der andere Serbe
und der Dritte ein Bosnier und der Vierte ein Albaner. Ich verstehe bis heute
nicht, warum die Leute nicht in Frieden zusammenleben können. Und dann haben
sie sich gegenseitig auch noch die Häuser in die Luft gesprengt, wusstest du
das? Ganz systematisch. Mit Gasflaschen. Haus für Haus. Der blanke Terror.«
Hecht trank aus seiner Tasse. »Und jetzt ist mein Kaffee auch noch kalt«,
schimpfte er.
    »Was war das gerade?«, fragte Morgenstern plötzlich. »Was war das
für eine seltsame Geschichte mit diesen Gasflaschen?«
    Hecht stellte seine Kaffeetasse zur Seite, und Morgenstern sah, wie
bei seinem Kollegen ganz, ganz langsam der Groschen fiel.
    »Elvira Ledermann«, sagte er. »Mike, denkst du dasselbe, was ich
gerade denke?«
    Morgenstern nickte, und Hecht wühlte hektisch in seiner Tasche.
»Gut, dass ich meine Mitschriften meistens mit dabeihabe.« Er fand seinen
Stenoblock, blätterte eine Weile und hatte schließlich gefunden, wonach er gesucht
hatte.
    »Da ist er, Elvira Ledermanns Lebensgefährte. Ganz typischer Name
für die Gegend da unten: Dragan. Dragan Starcevic.«
    »Mann, wir haben ganz schöne Vorurteile«, sagte Morgenstern in einem
Anflug von schlechtem Gewissen. »Wir stellen glatt ein ganzes Land unter
Generalverdacht.«
    »Ja mei« antwortete Hecht. »Wir dürfen uns bloß nicht dabei erwischen
lassen. Und wir hätten schon längst im Computer nachsehen sollen, ob über die
Ledermanns und ihren Dunstkreis etwas vorliegt.«
    Am Nachbartisch war inzwischen ein sechster Stammtischbruder
angerückt, in Begleitung eines riesigen grauen Hundes mit sabbernden Lefzen.
Das Tier hechelte Morgenstern interessiert an. Als sich die beiden Kommissare
nun erhoben und weggingen, sah Morgenstern über die Schulter, wie der Hund die
Wursthäute von ihren Tellern fraß und auch noch den süßen Hausmachersenf sorgfältig
ableckte.
    Von den Zechern gab es dafür Lob und fröhliches Gelächter.
    Sie waren schon kurz vor der Direktion, als Morgenstern an einem Zeitschriftenkiosk
neben dem Zentralen Omnibusbahnhof stoppte. Umständlich kramte er nach seinem
Geldbeutel und suchte eine Münze heraus.
    »Was wird das jetzt?«, fragte Hecht.
    »Wirst du gleich sehen.« Morgenstern legte einen Euro auf den Verkaufstresen,
orderte ein Lotterielos und drehte es dann ein paar Sekunden zwischen den
Fingern.
    » And the Oscar goes to … Mike
Morgenstern«, sagte er hoffnungsfroh, als er die perforierten Ränder des
Bayernloses aufriss. »Zweihundertfünfzigtausend Euro als

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