Hausbock
wenn es bloß um unsere Mülltonne geht.«
»Haben wir nicht«, sagte Morgenstern. »Aber das kann sich rasch
ändern. Übrigens scheint mir Ihre Mülltrennung vorbildlich. Das hätte ich von
Ihnen gar nicht erwartet.« Er breitete die taz vor sich aus, und Bachmeier
bemühte sich sichtbar, aus den Schlagzeilen der alten Zeitungsausgabe schlau zu
werden.
»Steht da etwas drin, was mich betrifft?«, fragte er genervt, als er
genug davon hatte, dass die Ermittler ihn zappeln ließen.
»Sie haben die Zeitung abonniert«, stellte Morgenstern fest. »Sie
ist an Ihren Namen adressiert.«
»Na und? Hat die CSU in Bayern
neuerdings die taz verboten?«
»Nein, vorerst noch nicht«, sagte Morgenstern.
Hecht fügte hinzu: »Das fällt unter die Liberalitas Bavariae. Jedem
Tierchen sein Pläsierchen. Auch wenn Ihr Postbote die Zeitung wahrscheinlich
bloß mit der Kneifzange anfasst.«
»Ich glaube, ich bin der Einzige in der ganzen Gegend, der ein
taz-Abo hat«, sagte Bachmeier.
»Politisch links und stolz drauf«, bilanzierte Morgenstern. »Und deswegen
laufen Sie auch gerne mal mit einem Stoffbeutel von der taz durch die Gegend.«
»Wie kommen Sie darauf? Was soll das alles? Und warum soll ich keine
Tüte von der taz tragen dürfen?«
Hecht zeigte auf das Motorrad in der Hofecke. »Diese Suzuki. Starke
Maschine. Eine 650er. Ist das Ihre?«
»Korrekt. Habe ich schon seit acht Jahren. Ich war damit sogar schon
in Spanien. Und in Marokko.«
»Natürlich. Ein bisschen Stoff besorgen«, hämte Morgenstern. »Fährt
außer Ihnen jemand hier auf dem Hof diese Maschine?«
»Nein«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Nur ich.« Bachmeier
zögerte einen Augenblick. »Und früher ein paarmal die Raphaela.«
»Sie oder die Raphaela«, wiederholte Morgenstern.
Er sah Bachmeier in die Augen, machte eine bedeutungsschwere Pause
und sagte dann: »Herr Bachmeier. Bei unserem letzten Gespräch haben Sie uns
erzählt, Sie wären seit Ewigkeiten nicht mehr an der Schwarzmühle gewesen.«
Hecht, wohlpräpariert für diesen Moment, raschelte demonstrativ mit seinem
Notizblock auf der Suche nach dem besagten Zitat in den stenografierten Aufzeichnungen.
Bachmeier schaute gelangweilt über den Hof.
»Aber das entspricht wohl nicht ganz der Wahrheit.« Morgenstern
schaute theatralisch traurig und machte »Ts … ts … ts«, als gebe es
niemanden, den diese Tatsache mehr schmerze als ihn selbst.
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Bachmeier.
»Man hat Sie gesehen«, sagte Morgenstern. »Vor gut einer Woche, am
Mittwoch früh, kurz nach sieben Uhr.«
Hecht zeigte zur Suzuki. »Mit dieser Maschine waren Sie unten im
Anlautertal.«
Bachmeier schüttelte den Kopf, aber für die Ermittler war unklar, ob
das Nein heißen sollte oder ob das der Gram war über sein Pech.
»Sie haben ein geländegängiges Motorrad. Für Sie ist kein Waldweg zu
steil und zu unwegsam«, sagte Morgenstern. »Erinnern Sie sich noch? Sie sind
durch den Wald gefahren und dann über die Wiese.«
»Sie wussten, dass der Richter schon weg war. Sie wussten, dass das
Haus leer war«, schob Hecht nach.
»Und dann haben Sie aus Ihrem Motorradkoffer eine Stofftasche
geholt. Nicht irgendeine Stofftasche. Sondern die Werbetasche Ihrer
Lieblingszeitung.« Morgenstern tippte mit dem Finger auf die Zeitung vor sich.
»So sind wir auf Sie gekommen. Denn Geländemotorräder gibt es im Naturpark
Altmühltal viele.«
»Viel mehr als taz-Abonnenten«, bestätigte Hecht.
»Man hat Sie gesehen«, wiederholte Morgenstern. »Wir haben einen
Zeugen.« Mit einem Mal wurde seine Stimme laut und scharf. »Sie haben fast eine
halbe Stunde lang am Haus oder im Haus herumgeschnüffelt. Drei Tage bevor alles
in Flammen aufging. Und Sie haben uns angelogen. So etwas nehmen wir persönlich.
Da sind wir enttäuscht. Sehr enttäuscht. Nicht wahr, Herr Kriminaloberkommissar
Hecht?«
Hecht gab sich Mühe, besonders grimmig dreinzublicken. In Wirklichkeit
triumphierte auch er innerlich. Das war eine der Sternstunden im Leben eines
Kriminalbeamten. Wenn ein Täter spürte, dass das Spiel zu Ende ging.
»Was haben Sie an der Schwarzmühle gemacht an jenem Morgen?«, bohrte
Morgenstern mit der Hingabe eines sorgfältigen Dentisten. »Wir können das
Gespräch auch jederzeit nach Ingolstadt verlegen, wenn Ihnen das lieber ist.«
Von der Wohnküche her hörten sie schallendes Gelächter. Die aktuelle
Folge der ›Simpsons‹ ließ bei Bachmeiers Mitbewohnern anscheinend keine
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