Hausbock
unbewohnbar. Und in Bayern
wurden die Fichtenwälder von Borkenkäfern hektarweise totgefressen. Erst
neulich hatte Morgenstern in der Zeitung wieder einen Aufruf an alle privaten
Waldbesitzer gelesen, ihre Bäume wöchentlich auf Befall mit Buchdrucker,
Kupferstecher und sonstigen gefräßigen Schädlingen zu untersuchen und überhaupt
nach Alternativen zu den anfälligen Fichten zu suchen. Der Kampf gegen die
Käfer war nichts anderes als ein zermürbendes Rückzugsgefecht. Im Krieg gegen
die Winzlinge stand der Mensch auf verlorenem Posten.
Morgenstern warf einen letzten Blick auf Bachmeiers Käfer und schob
die Schachtel wieder zusammen. Er grinste, weil ihm Wilhelm Busch einfiel, der
seine Helden »Max und Moritz« einst mit Maikäfern ausgestattet hatte.
Psychologische Kriegsführung gegen den arglosen Onkel Fritz. Er schüttelte die
Schachtel, dass die toten Insekten rappelten, und zitierte: »›Guckste wohl,
jetzt ist’s vorbei mit der Käferkrabbelei!‹«
»Und was wird mit mir?«, fragte Bachmeier vorsichtig.
»Das wird sich zeigen«, sagte Morgenstern. »Allein wegen dieser
Käfergeschichte kriegen Sie ein riesiges Problem. Aber Sie können sich darauf
einstellen, dass wir noch weitere Fragen an Sie haben. Morgen bekomme ich die
Telefonliste. Halten Sie sich bereit.«
Bachmeier nickte gehorsam.
»Und wenn Ihnen einfallen sollte, dass Sie doch mehr wissen, als Sie
uns bisher gesagt haben, dann melden Sie sich umgehend.«
Wieder nickte Bachmeier.
»Und jetzt schicken Sie mir bitte Frau Ledermann raus«, befahl
Morgenstern. »Ich habe heute Sprechstunde.«
Als Bachmeier im Haus verschwunden war, sah Hecht seinen Kollegen
skeptisch an. »Diese Käfergeschichte ist die seltsamste Nummer, die mir jemals
untergekommen ist.«
»Mein ist die Rache, spricht der Hausbock«, gab Morgenstern zurück
und schüttelte die Pralinenschachtel noch einmal.
In diesem Moment kam Raphaela Ledermann aus dem Haus, wie immer ganz
in Schwarz, begleitet von ihrem ebenfalls schwarzen Hund.
»Was gibt’s?«, fragte sie barsch. »Haben Sie endlich rausgekriegt,
wer meinen Vater auf dem Gewissen hat? Oder tappt die Polizei mal wieder im
Dunkeln und kümmert sich nur um die kleinen Kiffer und die Graffiti-Sprayer?«
»Wir kommen ganz gut voran, danke der Nachfrage«, sagte Morgenstern.
»Eben erst haben wir eine besonders interessante Facette dieses Falls
entdeckt.« Er hielt ihr die Toffifee-Schachtel auf der flachen Hand entgegen.
»Näheres können Sie von Ihrem Freund erfahren.«
Raphaela Ledermann sah ihn verständnislos an. Morgenstern hatte den
Eindruck, dass sie tatsächlich nichts von Bachmeiers Guerilla-Aktion an der
Schwarzmühle wusste. Sie setzten sich an den Biertisch.
»Wir würden uns gerne mit Ihnen über Ihre finanziellen Verhältnisse
unterhalten.« Morgenstern wies auf Hecht, der in seiner Tasche kramte und die Kopien
von Ledermanns Kontoauszügen suchte. »Wir hatten nach unserem letzten Gespräch
den Eindruck, Ihr Vater und Sie hätten keinen besonders liebevollen Umgang gepflegt«,
sagte er, während Hecht einen braunen Papierumschlag aus der Tasche zog.
»Na und?«, gab Raphaela Ledermann zurück und verzog das Gesicht zu
einem Grinsen. »Das kommt in den besten Familien vor. Gerade in den sogenannten
besten Familien.«
»Wir haben ermittelt, dass Ihr Vater Sie finanziell unterstützt hat.
Mit monatlich fünfhundert Euro. Obwohl er das nicht tun müsste. Er wäre nicht
verpflichtet. Sie stehen auf eigenen Beinen.«
Raphaela Ledermann streichelte ihrem Hund über den Kopf und ließ
sich Zeit mit einer Antwort. Hecht zupfte solange einen passenden Kontoauszug
aus dem Kuvert.
»Ein Dauerauftrag«, sagte er. »An die Hamburger Sparkasse.«
Raphaela zog den Auszug zu sich heran und las sich die Überweisungen
auf dem Blatt durch. Ihre Stirn, das sah Morgenstern ganz deutlich, legte sich
in Falten.
»Na und?«, sagte sie zum zweiten Mal. »Er wollte mir halt was Gutes
tun. Damit ich mir mein Geld nicht auf krummen Wegen besorgen muss. Mit
fünfhundert Euro kommst du in Hamburg sowieso nicht weit. Sie brauchen um die
Kohle also keinen Wind zu machen.«
Sie schob den Auszug zu Hecht zurück. Der nahm ihn, warf seinerseits
einen Blick darauf und fragte: »Ist Ihnen aufgefallen, dass gleichzeitig mit
der Überweisung an Sie jeden Monat eine Spende für den Denkmalschutz
rausgegangen ist?« Er tippte auf den Beleg. »Immer am selben Tag, genau
dieselbe Summe.«
»Na und?«, fragte sie wieder. »Mein
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