Hausbock
Wünsche
offen.
Bachmeier dachte eine quälende Weile über Morgensterns letzten Satz
nach. Währenddessen fummelte Hecht bereits in seiner Aktentasche nach seinem
Diktiergerät. Er legte das schwarze Kästchen, ausgestattet mit einer
Minikassette, auf den Biertisch und wartete mit dem Einschalten, bis Bachmeier
sich tatsächlich einen Ruck gab und zu sprechen begann.
»Ich war’s nicht«, war sein erster Satz.
»Was waren Sie nicht?«, fragte Morgenstern.
»Ich habe Raphaelas Vater nicht umgebracht. Das hätte ich nie
fertiggebracht, trotz allem, was er mir angetan hat.«
»Wer war es dann?«, fragte Hecht. »Wissen Sie es?«
»Nein, ich weiß so wenig wie Sie.«
»Was haben Sie an diesem Mittwoch in Ledermanns Haus getrieben? Was
wollten Sie da? Sie sind doch eingebrochen, oder täusche ich mich?« Morgenstern
schoss ein ganzes Trommelfeuer von Fragen ab.
»Eingebrochen?«, fragte Bachmeier. »Nein. Ich weiß nämlich, wo der
Schlüssel für die Hintertür versteckt war. Die Info ist Raphaela mal
versehentlich rausgerutscht. Der Schlüssel liegt unter einer alten Gießkanne im
Garten.«
»Was haben Sie im Haus gemacht?«
Bachmeier streckte den Rücken durch. Er zögerte. Dann hob er den
Kopf. »Einen Sabotageakt.«
»Sabotage? Was soll das heißen?«
»Eine Guerilla-Aktion. Ich habe Ledermanns Haus ein bisschen
präpariert.«
»Mit Propangasflaschen«, sagte Morgenstern.
»Nein. Mit diesem Brand habe ich nichts zu tun. Das passt doch auch
vom Zeitpunkt nicht.«
»Na ja«, sagte Morgenstern unbestimmt. »Was haben Sie also angestellt,
was war Ihr Sabotageakt?«
Bachmeier sagte darauf nur ein einziges Wort, das er langsam und
betont aussprach: »Hausbock.«
»Hausbock?«, wiederholten Hecht und Morgenstern unisono.
»Ganz recht. Hausbock. Ich darf wohl sagen, dass sich in Deutschland
derzeit niemand intensiver mit dem Hausbock beschäftigt als ich. Sie haben
meine Balken gesehen. Meine Dissertation ist fast abgeschlossen. Ich weiß alles
über diesen Käfer und seine Larven. Vor allem, was diese Tiere in Bauholz
anrichten können.«
Er grinste. »Sie, Herr Morgenstern, haben Panik vor Spinnen. Und
Richter Ledermann hatte immer Angst, dass Schädlinge sein Haus befallen
könnten. Raphaela hat es mir oft erzählt. Das war sein Alptraum. Ich wollte ihn
wahr werden lassen.«
Die beiden Ermittler sahen sich an: ratlos.
»Das ist kriminell«, sagte Morgenstern schließlich. »Sie haben die
Schwarzmühle mit Ihren Schädlingen infiziert?«
»So ungefähr. Ich hatte Käfer dabei, vor allem aber Larven, die ich
mir am Vorabend hier am Hof aus meinen Testhölzern geholt hatte. Dazu einen
kleinen Handbohrer und ein bisschen Holzkitt, um die Löcher am Ende sauber zu
verschließen. Den Rest übernimmt dann Mutter Natur. Ich habe im ganzen Haus
Balken mit Larven präpariert. Vor allem im Dachstuhl, aber auch das Fachwerk in
den Zwischenwänden. Die Mühle ist in Holzständerbauweise errichtet. Da gibt es
überall Balken. Und damit Ledermann einen richtigen Schrecken bekommt, habe ich
eigens ein paar tote Käfer aus meiner Sammlung im Haus ausgelegt. Die sollte er
so schnell wie möglich entdecken, damit er weiß, was die Stunde geschlagen
hat.«
»Sie haben das ganze Haus verwanzt«, sagte Morgenstern wider Willen
beeindruckt.
»Wanzen? Ich bitte Sie. Das ist eine Beleidigung für den Hausbock.
Wenn man ihn sich genau ansieht, ist er ein sehr schönes Tier.«
Morgenstern ignorierte die letzte Bemerkung. »Und warum haben Sie
diesen sogenannten Sabotageakt ausgerechnet jetzt durchgeführt?«
»Ich habe erfahren, dass der Richter in seinem Haus einen Tag der
offenen Tür hält. Er war so stolz, dass die Renovierung fertig ist. Da dachte
ich mir: Das ist der perfekte Zeitpunkt. Ich wollte, dass er sein Lebenswerk in
Gefahr sieht. Dass er den Dachstuhl austauschen muss. Oder das ganze Haus
begasen lässt. Eine Großaktion halt. Aber nicht einmal das hätte geholfen, da
bin ich mir ganz sicher.«
»Perfide«, sagte Morgenstern. »Eine ausgesprochen fiese Form der
Rache. Aber die entscheidende Frage haben Sie uns noch nicht beantwortet. Warum
ist Richter Ledermann heute tot? Warum fliegt die Mühle drei Tage später in die
Luft? Mit allen Balken, mit allen Larven, mit allen Käfern und vor allem mit
dem armen Dr. Ledermann?«
Bachmeier hob die Hände. »Ich weiß es nicht, ehrlich. Ich habe mir
den Kopf zermartert, was da los war in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Aber
ich habe keine Idee.«
»Ich
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