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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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hätte da durchaus eine«, sagte Morgenstern langsam. »Wie wäre
es, wenn Ihnen der Richter auf die Schliche gekommen ist? Sie haben selbst
gesagt, dass er die toten Insekten möglichst schnell entdecken sollte. Mal
angenommen, er kommt am Abend nach Hause, findet die Käfer, die da auffällig
unauffällig in den Fluren und auf dem Speicher liegen. Und er fragt sich, wo
die auf einmal herkommen. Soweit wir wissen, war Dr. Ledermann ein sehr
sorgfältiger, reinlicher Mann.«
    Bachmeier nickte. »Ich habe die Tiere nicht zu auffällig ausgelegt.«
    »Wusste Ledermann, was Sie studieren?«, fragte Hecht. »Wusste er von
Ihrer Forschung?«
    »Woher sollte er das wissen?«
    »Vielleicht von seiner Tochter.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Glauben heißt nicht wissen«, sagte Morgenstern. »Sitzt Raphaela
Ledermann eigentlich momentan auch da drin vor der Glotze?« Er deutete auf das
weit geöffnete Fenster, aus dem leise die quäkende Stimme von Homer Simpson zu
hören war.
    »Herr Ledermann war ein Mann, der eins und eins zusammenzählen
konnte«, übernahm Hecht. »Mal angenommen, er wusste von Ihrer Forschung. Was
hätte er dann nach einigem Nachdenken wohl getan?«
    Bachmeier wusste keine Antwort.
    Morgenstern spann den Faden weiter: »Er hätte Sie mit seinen
Überlegungen konfrontiert. Er hätte Ihnen mit der Polizei und dem Staatsanwalt
gedroht. Wegen Einbruchs, Sachbeschädigung und einer verschärften Form von
Hinterfotzigkeit. Er hätte Sie vernichtet.«
    »Das hätte er mir nie nachweisen können«, sagte Bachmeier trotzig.
»Ein Käfer kann von überall her kommen. Der kann fliegen.«
    »Hat Ledermann Sie angerufen, ja oder nein?« Morgenstern schlug mit
der flachen Hand auf den Biertisch.
    »Nein, hat er nicht.«
    »Das werden wir überprüfen«, kündigte Morgenstern an. »Wir haben
Ledermanns Telefonlisten schon angefordert. Morgen habe ich die auf dem Tisch.
Und dann werden wir sehen, ob Ledermann Kontakt zu Ihnen aufgenommen hat.«
    Hecht setzte nach: »Angenommen, der Richter droht Ihnen. Und
daraufhin beschließen Sie, der Sache ein Ende zu machen. So schnell wie
möglich.«
    »So war es nicht«, sagte Bachmeier matt. »Ich habe Ihnen die
Wahrheit gesagt. Und ich will nicht noch einmal in den Knast.«
    »Mit heiler Haut kommen Sie aus dieser Sache nicht raus«, donnerte
Morgenstern.
    »Es waren doch nur Käfer!«
    »Aber was für welche! Die Sache ist Ihnen aus dem Ruder gelaufen.
Ihre sogenannte Sabotage ist eskaliert.«
    »Nein«, sagte Bachmeier. »Sie können Ihr Tonband ausmachen. Ich sage
jetzt nämlich gar nichts mehr. Sie glauben mir sowieso nicht.«
    »Schade«, sagte Morgenstern, und Hecht schaltete, nachdem er noch
ein bisschen gewartet hatte, das Aufnahmegerät ab.
    »Lassen Sie uns mal Ihre Insektensammlung sehen«, sagte Morgenstern.
»Ich würde auch gerne ein paar von den toten Käfern mit ins Präsidium nehmen.
Das glaubt uns da sonst keiner.«
    »Sie können so viele haben, wie Sie wollen.« Bachmeier stand auf.
    Morgenstern wollte ihm gerade ins Haus folgen, als er an die
Vogelspinnen dachte und erschauerte. Er bedeutete Hecht, er solle die
Insekten-Inspektion allein vornehmen, er selbst werde draußen warten.
    Ein paar Minuten später kamen die beiden wieder aus der Tür. Hecht
hielt eine kleine Schachtel in den Händen und gab sie Morgenstern. »Da wird
Schneidt staunen«, versprach er.
    »Toffifee?«, fragte Morgenstern verblüfft. »Ich schenke dem Schneidt
doch keine Pralinen.« Er schob die Süßigkeitenpackung auseinander, und die
golden glänzende Plastikeinlage kam zum Vorschein. Doch anstatt Pralinen lagen
in den halbrunden Vertiefungen, Stück für Stück liebevoll drapiert, tote,
silbrig braun glänzende Insekten mit kurzen Fühlern. Alexander von Humboldt hatte
bei seiner Südamerika-Expedition kaum weniger Sorgfalt an den Tag gelegt, als
er unbekannte Krabbeltiere für die Nachwelt archivierte.
    Es war kaum zu glauben, dass diese harmlos scheinenden, lachhaft
mickrigen Tierchen der Schrecken der Hausbesitzer sein konnten, dachte
Morgenstern. Aber es war am Ende wohl so, dass Größe nicht das Entscheidende
war. Die heimlichen Herrscher der Welt, das waren nicht die Säugetiere, auch
nicht der Mensch, der sich so viel auf sein großes Gehirn einbildete. Es waren
die Insekten, so hatte er es jedenfalls irgendwo mal aufgeschnappt. Ameisen
hielten den Globus in Schach. Winzige Moskitos verseuchten die halbe Welt mit
Malaria, die Tsetsefliege machte ganze Landstriche

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