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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Selermau oder so ähnlich.«
    Morgenstern beugte sich über das Büchlein, um sich zu vergewissern,
dass er mit seiner Vermutung richtiglag. »Das heißt nicht Selermau. Das war
Post für Herrn Ledermann. Herrn Amtsrichter Dr. Rupert Ledermann in der
Schwarzmühle, Marktgemeinde Titting im Landkreis Eichstätt.«
    Der Kollege sah ihn einen Moment lang verständnislos an, dann fiel
bei ihm der Groschen. »Die Schwarzmühle. Dein Mordfall. Ich werd verrückt!«
    »Tausend Euro, jeden Monatsanfang«, fasste Morgenstern zusammen.
»Immer per Post. Und du hast alle Kuverts.« Gierig griff er nach einem von vier
Briefstapeln, die sorgfältig mit einem Stück Schnur gebündelt waren.
    »Finger weg«, befahl der Kollege. »Das sind meine Briefe. Du bringst
mir bloß alles durcheinander. Ich suche dir deine Kuverts raus.«
    »Nun lass mich halt«, drängelte Morgenstern.
    »Raus hier. Ich bringe sie dir in dein Büro.«
    »Hoffentlich gibt es einen Absender«, sagte Morgenstern, bevor er
die Tür hinter sich zumachte.
    »Alles andere würde mich bei der Summe wundern«, sagte der Kollege.
    Er sollte sich getäuscht haben. Morgenstern und Hecht beugten sich
nachdenklich über die beiden Kuverts. Ganz normale weiße, längliche
Briefkuverts. Beide Male war die gleiche Fünfundfünfzig-Cent-Sondermarke
verwendet worden. Sie zeigte, wie Morgenstern interessiert erkannte, ein
Fossil: den versteinerten Urvogel Archaeopteryx. Eine weltberühmte Trophäe des
Altmühltals. Er selbst hatte vor einiger Zeit einen Mordfall geklärt, in dem es
um Achaeopteryx-Fossilien gegangen war. Vor hundertfünfzig Jahren, das war
klein auf der Briefmarke zu lesen, war das erste Exemplar dieses berühmten
Urzeittiers gefunden worden. Ein Schmuckstempel neben der Marke machte Werbung
für die Landeshauptstadt München. Ansonsten war bei beiden Briefen nur der
Stempel des Briefverteilzentrums Freising zu sehen, der Allerweltsstempel für
ganz Oberbayern.
    Ein Absender fehlte. Die Adresse war mit blauer Tinte in Blockbuchstaben
groß aufs Kuvert geschrieben: »Rupert Ledermann, Schwarzmühle 1, 85135
Titting«.
    »Kein zusätzlich eingelegter Zettel? Kein Hinweis?«, fragte Hecht
den Kollegen noch einmal.
    »Das habe ich euch doch schon gesagt. Die Kuverts sind alles. Und
ich sage euch: Da war nie ein Schriftstück mit dabei. Ich habe noch mal bei den
anderen geklauten Briefen nachgesehen. Da ist überall noch das normale
Anschreiben mit drin. Unser Postbote ist kein Mann, der etwas wegwirft. Weiß
der Kuckuck, warum er das alles so gründlich aufgehoben hat.«
    »Weiß der Kuckuck?«, sagte Hecht. »In dem Fall müsste man eher die
Elster fragen.«
    »Wir sollten den Postboten fragen, ob er irgendetwas zu diesen
Briefen weiß«, schlug Morgenstern vor. »Wenn man es recht bedenkt, ist er eine
der wenigen Personen, die regelmäßig zur Mühle gekommen sind.«
    Sie beschlossen, die beiden Briefe ins Labor zu geben. Vielleicht
ließen sich Fingerabdrücke finden, möglicherweise konnte man Speichelproben von
den Briefmarken bekommen, falls der anonyme Absender die Marken nach alter
Väter Sitte mit der Zunge befeuchtet hatte.
    »Unser Herr Richter hat, wenn ich mir das richtig zusammenreime,
jeden Monat aus trüber Quelle tausend Euro bekommen«, sagte Hecht, »hatte damit
immer ein schönes Bargeldkonto unterm Kopfkissen und musste deswegen nur selten
zum Bankautomaten. Da sind wir uns einig.«
    Morgenstern nickte.
    Hecht überlegte weiter: »Und parallel dazu überwies unser Richter
Monat für Monat genau dieselbe Summe von seinem Gehaltskonto zur Hälfte an
seine Tochter und zur Hälfte für einen guten Zweck.«
    Wieder nickte Morgenstern.
    »Können wir daraus folgern, dass er dieses Geld nicht für sich
selbst behalten wollte?«
    »Denkbar.«
    »Weil es in irgendeiner Form schmutziges Geld war, an dem er sich
nicht die Finger dreckig machen wollte?«
    »Der alte Knacker war ein Mann mit Prinzipien«, sagte Morgenstern.
»Das steht fest. Einer der alten Garde.«
    »Und trotzdem gibt es da draußen jemanden, der ihm monatlich einen
Batzen Geld schickt. Ohne Quittung. Ohne Beleg.«
    »Ein Gönner«, sagte Morgenstern und grinste. »Hey,
big spender!«
    Hecht grinste zurück. »Keiner spendiert einem alten Menschen eine
monatliche Apanage. So etwas bekommt bloß Prinz Charles.«
    »Warum also verschickt jemand heimlich so viel Geld?«
    »Bestechung«, sagte Hecht. »Rädchen schmieren. Damit der Herr
Richter regelmäßig ein Auge

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