Hausbock
zudrückt.«
»Regelmäßig?«, fragte Morgenstern zurück. »Wer würde schon
regelmäßig mit dem immer gleichen Richter zu tun haben? Die wechseln doch am
Amtsgericht bei den Fällen durch. Da hat keiner seine Stammkunden, mit denen er
sich eines Tages auf einen Deal einlassen könnte. Außerdem: Nach allem, was wir
über Rupert Ledermann wissen, ist er am Gericht nie durch einen Anfall von
Altersmilde aufgefallen. Das hätten die anderen ganz bestimmt gemerkt, wenn er
sich gegenüber einem örtlichen Drogendealer überraschend nachsichtig zeigt.«
Sie grübelten noch eine Weile, kamen aber auf keinen grünen Zweig.
Einen Richter zu bestechen: Das war zwar – selbst in Bayern – nicht
völlig undenkbar. Aber das würde dann immer eine Einzelaktion sein. Ein
einmaliges Ereignis, bei dem dann auch nicht mit tausend Euro hantiert würde,
sondern gewiss mit einer sehr viel höheren Summe.
»Weißt du noch, wann dieser Dauerauftrag für die beiden Fünfhundert-Euro-Überweisungen
in Auftrag gegeben wurde?«, fragte Morgenstern.
»Vor etwa fünf Jahren.«
»Dann rufen wir jetzt diesen diebischen Postillion an«, entschied Morgenstern.
»Der sitzt zu Hause und weint in sein Kissen«, sagte der Kollege.
»Ist fristlos entlassen, kann sich auf einen Prozess gefasst machen. Und muss
einen Haufen Geld zurückzahlen. Das Schlimmste für ihn ist aber: Er wohnt in
Kipfenberg, wo ihn jeder kennt. Der bringt in seiner Gemeinde keinen Fuß mehr
auf den Boden. Der wird geächtet bis ans Lebensende.«
Der Exbriefträger ging selbst ans Telefon. Als er hörte, er könne
möglicherweise Ermittlern der Kripo in einem anderen Fall helfen, war sein
Eifer kaum zu bremsen. Der Mann hatte etwas gutzumachen. Und er hatte ein gutes
Gedächtnis.
Rupert Ledermann habe zum Glück nicht sehr viel Post erhalten, zum
Glück deshalb, weil man jedes Mal mühsam zur Schwarzmühle habe fahren müssen.
Umso mehr habe er sich über sinnlose Postwurfsendungen geärgert, die an alle
Haushalte gingen und von Richter Ledermann, soweit er ihn einschätzen konnte,
sowieso unbesehen in die grüne Papiertonne des Landkreises Eichstätt entsorgt
wurden.
Kurzum: Er entsinne sich noch gut, dass seit etwa vier – oder
waren das nun schon fünf? – Jahren regelmäßig Briefe an Ledermann
geschickt worden seien, von Hand adressiert, aber ohne Absender. Immer am
Monatsanfang. Und immer seien die Kuverts sonderbar dick gewesen. Er habe bald
schon vermutet, dass Geldscheine darin sein könnten. Wer so viel mit Briefen
aller Art zu tun habe wie er, bekomme dafür mit der Zeit ein Gespür. »Wissen
Sie: Man fühlt das zwischen den Fingern, wenn ein Brief nicht normal ist.«
Kurzum: Als er begonnen habe, systematisch Briefe mit Hilfe der
Speziallampe auf Geld zu filzen, sei Rupert Ledermann für ihn ein fast
todsicherer Tipp gewesen. »Da hätte ich meine Lampe eigentlich gar nicht
gebraucht«, erklärte der Postbote mit dem Stolz eines Mannes, der sein Handwerk
versteht.
Am Telefon entstand eine kurze Pause. Dann fragte der Briefträger:
»Glauben Sie, dass diese Geldbriefe etwas mit dem Brand in der Schwarzmühle zu
tun haben?«
»Vielleicht eher das Ausbleiben dieser Briefe«, sagte Morgenstern in
einer plötzlichen Anwandlung. »Ist doch ärgerlich, wenn solche Sendungen nicht
ankommen. Da denkt der Adressat womöglich, dass der andere die Zahlungen
eingestellt hat, nicht wahr?«
»Na ja. Es rechnet keiner damit, dass Briefe in der Post verloren
gehen. Nicht zweimal hintereinander. Oder dass sie vom Personal …
zurückgehalten werden. Nein, damit kann keiner rechnen.« Der Briefträger wirkte
zerknirscht. Er fühlte sich offenbar als Nestbeschmutzer, und mit einem Mal
hörte Morgenstern auf der anderen Seite der Leitung ein Schluchzen.
»Schon gut, schon gut«, sagte er. »Sie haben uns jedenfalls ein
Stück weitergeholfen. Alles Gute noch, für Ihren Prozess und so.« Peinlich
berührt legte er auf.
Wenig später saßen Hecht und Morgenstern bei einer Tasse Kaffee in
Hechts Büro.
»Die Telekom hat die Telefonlisten immer noch nicht geschickt«,
schimpfte Morgenstern. »Wie soll man da ermitteln?«
Hecht grübelte: »Was ich nicht verstehe, ist dieser Dauerauftrag an
die Denkmalstiftung. Das ist mir wirklich ein Rätsel.« Er schaute auf einen von
Ledermanns Kontoauszügen: Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn. »Ich rufe da
mal an. Die sind bestimmt todtraurig, wenn ihnen ein so großer Wohltäter
abhandenkommt. Vielleicht wissen sie etwas über
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