Hausbock
den Stift abzusetzen. Genervt warf er den
Kugelschreiber auf den Schreibtisch. Es war der Stift der
Hanns-Seidel-Stiftung.
»Fünfhundert Euro«, sagte Hecht, als sei er ein buddhistischer Wandermönch
mit klappernder Gebetsmühle, der ein neues Mantra gefunden hatte. »Fünfhundert
Euro für so eine blöde Stiftung.«
»Und fünfhundert Euro für die missratene Tochter«, fügte Morgenstern
hinzu.
»Tausend Euro, ordentlich geteilt«, seufzte Hecht.
»Halbe-halbe«, sagte Morgenstern, und er stutzte. »Halbe-halbe.« Er
ließ die vier Silben nachklingen. »Das macht man, wenn man sich was teilt. Eine
Hälfte für mich, die andere für dich, und jeder kann mit seinem Anteil machen,
was er will.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Hecht.
»Vielleicht waren diese tausend Euro im Monat nicht nur für den
alten Herrn bestimmt, der dann gnadenhalber der Tochter etwas hat zukommen
lassen. Vielleicht war das ein gemeinsames Geheimnis von Vater und Tochter.«
»Dann sollten wir sie dringend danach fragen«, sagte Hecht. »Der
Zusammenhang zwischen dem mysteriösen monatlichen Tausender und dem
Dauerauftrag an die Tochter liegt auf der Hand. Da bohren wir jetzt nach.«
Doch Raphaela Ledermann war nicht zu erreichen. Nicht über das
Festnetz, nicht auf dem Handy. Morgenstern hinterließ ihr eine Nachricht auf
der Mailbox, sie solle sich umgehend melden. Er hatte allerdings Zweifel, dass
sie die Mailboxbotschaft abhören würde. Er schloss da von sich auf andere. Für
Mike Morgenstern war das Handy eine weitgehend unbekannte Größe. Er hatte nie
die leiseste Lust verspürt, sich damit auseinanderzusetzen. Er konnte sich mit
Mühe den Code des Familienhandys merken, und von der Nutzung technischer
Finessen wie SMS war er meilenweit entfernt.
Er griff sich noch einmal das Fax aus Bonn, Ledermanns Brief an die
Denkmalstiftung. Eigentlich war der Brief ein einziges Beschwerdeschreiben über
die amtliche Denkmalpflege.
»Diese Denkmalpfleger sitzen zwischen allen Stühlen«, sagte er zu
Hecht.
»Zwischen welchen Stühlen?«
»Zwischen denen, die alles abreißen wollen, und denen, die alles
perfekt machen wollen, aber dafür nicht genug Geld bekommen. Den Job würde ich
nicht geschenkt wollen. Da bist du bloß der Buhmann.«
»Der Depp vom Dienst«, bekräftigte Hecht. »Aber in Ledermanns Fall
kann ich den Unmut nicht begreifen. Der hat doch immer gekriegt, was er
wollte.«
Morgenstern zog seinen Geldbeutel heraus und kramte darin herum.
»Schau mal, was ich hier habe.« Er hielt Hecht eine Visitenkarte unter die
Nase.
»Was ist das?«
»Die Handynummer des amtlichen Denkmalschützers. Dem binden wir das
jetzt auf die Nase, was unser Dr. Ledermann von seinesgleichen gehalten
hat.«
Er tippte die Nummer, drückte Hecht den Hörer in die Hand und
stellte gleichzeitig die Lautsprechertaste des Telefonapparats an.
Es klingelte zweimal, dann meldete sich eine Stimme: »Pfunder,
Landesamt für Denkmalpflege.«
»Äh, äh, also. Hier spricht Hecht, Kriminalpolizei Ingolstadt. Wir
hätten da eine Frage an Sie, äh, wegen des Todes von Dr. Ledermann in
Titting.«
»Wegen Dr. Ledermann? Das tut mir leid, momentan ist es ein
bisschen ungünstig. Ich bin gerade auf einem Ortstermin.«
»Es ist nur eine Kleinigkeit.«
»Nein, zu Fragen von solcher Tragweite äußere ich mich nur ungern am
Telefon. Wenn Sie wollen, können Sie mich aber treffen. Ich bin in Ingolstadt,
im Stadttheater. Wollen Sie kurz vorbeikommen? Sie haben es ja nicht weit. Wenn
ich Ihnen dann helfen kann, gerne.«
»Wo finden wir Sie?«
»Im Foyer. Ich würde vorschlagen, in einer halben Stunde.«
»Wir sind da.«
Morgenstern sah Hecht stirnrunzelnd an. »Was macht denn ein Denkmalpfleger
im Ingolstädter Stadttheater? Das ist doch der scheußlichste Betonklotz von
ganz Oberbayern?«
»Die Sprengung vorbereiten?«, schlug Hecht vor. Offenbar fiel ihm
die Parallele zur Schwarzmühle auf. »War bloß ein blöder Witz«, schob er
deshalb hinterher. »Ich habe jedenfalls keinen Schimmer, wo da ein Denkmal sein
soll.«
Das Stadttheater lag dicht an der Donau, getrennt nur durch eine
breite Straße, die die gesamte Altstadt vom Fluss abschnitt und schon im Ansatz
verhinderte, dass in Ingolstadt so etwas wie »Promenadenstimmung« aufkommen
konnte. Die meisten Ingolstädter nahmen die Donau gar nicht wahr, und wenn,
dann allenfalls als Ärgernis, wenn sich der Verkehr vor einer der Brücken
staute. Das Stadttheater selbst war ein verschachteltes,
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