Hausbock
seine Motivation.«
Hecht war bereits ins Internet getaucht und hatte sich die Homepage
der Denkmalstiftung herausgesucht. Er wählte die Telefonnummer, die für
wohlmeinende Spender angegeben war, und flötete einige Sekunden später bereits
mit einer Mitarbeiterin der Stiftung. Er habe ihr leider eine sehr traurige
Mitteilung zu machen bezüglich eines selbstlosen Gönners aus dem Herzen Bayerns.
»Blablabla«, flüsterte Morgenstern.
Hecht ließ sich nicht beirren. Er sei Kriminalbeamter in Ingolstadt
und ermittle im Todesfall Dr. Rupert Ledermann aus der Marktgemeinde
Titting. Und es gebe da einen Dauerauftrag, der vor fünf Jahren eingerichtet
worden sei, zugunsten der Stiftung.
»Ja, richtig, die Kriminalpolizei. Wir wüssten gerne, ob Sie den
Grund kennen, warum Ihnen Dr. Ledermann so viel Großzügigkeit angedeihen
ließ.«
Es dauerte eine Weile, die Frau musste offenbar irgendwelche Ordner
zurate ziehen.
»Ach, Sie haben ein Schreiben von ihm«, sagte Hecht erfreut. »Was
steht denn drin?«
Wenig später kam Ledermanns Brief ratternd aus dem altmodischen
Faxgerät im Sekretariat des Polizeipräsidiums, vor dem sich Hecht und
Morgenstern bereits ungeduldig aufgebaut hatten.
»Meine Güte, das Ding braucht dringend eine neue Druckerpatrone.«
Morgenstern zeigte auf den blässlichen Ausdruck, der von langen, schlierigen
Streifen durchzogen wurde.
»Sparen ist das Gebot der Stunde«, stellte Hecht fest. »Und wer kann
heutzutage schon damit rechnen, dass man noch mal ein Fax bekommt? Das ist
längst aus der Mode.«
Gemeinsam begannen sie, den maschinengeschriebenen Brief von Rupert
Ledermann zu entziffern. Dessen Schreibmaschine war anscheinend noch deutlich
älteren Datums als ihr Faxgerät und er selbst ein sparsamer Mensch gewesen, der
ein Farbband erst dann wechselte, wenn es sich aus seiner Sicht amortisiert
hatte.
»Sehr geehrte Damen und Herren«, las Hecht, »erfreulicherweise sehe
ich mich imstande, Ihrer verdienstvollen Stiftung ab sofort … mit einer
monatlichen Zuwendung helfen zu können. Nach meiner Einschätzung sind die
staatlichen Stellen trotz ihres eindeutigen gesetzlichen Auftrages außerstande
oder nicht willens, ihren Verpflichtungen für die Denkmalpflege in
erforderlichem Umfang nachzukommen.«
Nachdem sie den bürokratischen Bandwurmsatz zusammengestöpselt
hatten, sahen sich Morgenstern und Hecht erstaunt an.
»›Nach meiner Einschätzung‹?«, sagte Morgenstern. »Wie wir von
Baisler wissen, hat Ledermann die Höchstförderung für seine Mühle bekommen.« Er
schüttelte den Kopf. »Manchen Leuten kann man es einfach nicht recht machen.«
Hecht las weiter. »Ich habe nun eine Möglichkeit gefunden, im Rahmen
meiner bescheidenen Möglichkeiten an der Behebung dieses Mangels mitzuwirken,
und stelle Ihnen eine monatliche Summe von 500 Euro (in Worten:
fünfhundert) zur Verfügung. Meine Erwartung ist, dass Sie diese Summe
insbesondere zur Bewahrung kleiner Privatgebäude verwenden, deren Förderung bis
heute vielfach … überlassen ist. Erinnert sei hier an die sog.
›Jurahäuser‹ im bayerischen Altmühltal, die Ihnen zweifellos ein Begriff sein
werden. Hochachtungsvoll Dr. Rupert Ledermann«.
»Kannst du das lesen?« Hecht deutete auf ein paar besonders
verschmierte Worte auf dem Fax aus Bonn.
»Nö, beim besten Willen nicht. Das muss eine uralte mechanische
Schreibmaschine gewesen sein.«
Er las sich den Text noch einmal durch. »Undank ist der Welten Lohn.
Wenn das die Denkmalpfleger in die Hände bekommen, sind sie bestimmt nicht
begeistert.«
»Fünfhundert Euro im Monat«, sagte Hecht zum wiederholten Mal.
»Und dieselbe Summe ging an die Tochter«, sagte Morgenstern. »Wir
drehen uns im Kreis.«
Er dachte nach und kritzelte dabei ein Nikolaushaus nach dem anderen
auf einen Schmierzettel. »Das ist das Haus vom Nikolaus«, murmelte er dabei.
Mal gelang es ihm, das Haus mit dem X mit einem durchgehenden Strich zu
zeichnen, mal ging es daneben. Das große X in der Mitte des Hauses, das
war es, wonach sie suchten. Das X. Mister X. Morgenstern dachte an
ein uraltes Englischbuch, mit dem man ihn einst in Nürnberg an der Realschule
gequält hatte. Eine Geschichte darin hatte er nie vergessen: »X for
Danger« hatte sie geheißen. Er konnte sich nicht mehr genau an die Handlung
erinnern, nur so weit, dass Kinder durch ein aus Ästen gelegtes X am Boden
auf drohende Gefahr aufmerksam gemacht hatten. »Das ist das Haus vom …«
Wieder schaffte er es nicht, ohne
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