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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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gewesen«, sagte er, nachdem er das Schreiben
gelesen hatte. »Alle vier haben Alibis.«
    »Den Versuch war es wert«, meinte Morgenstern, schaute nachdenklich
aus dem Bürofenster und sah, wie unten gemächlich ein Motorrad vor den
Haupteingang des Präsidiums fuhr: eine schlammverspritzte Enduro-Maschine. Der
Fahrer stieg ab, nahm den Helm ab und ging, ohne auch nur einen Moment zu zögern,
durch die große Glastür.
    »Kevin Hofmeier ist im Anmarsch«, sagte Morgenstern zu Hecht. »Jetzt
packt er aus.«
    Wenig später stand der junge Mann blass, aber gefasst in einem
Vernehmungszimmer vor Morgenstern und Hecht, begleitet von zwei Beamten, die
ihn schon an der Pforte gründlich durchsucht hatten.
    Er berichtete erst stockend, dann immer flüssiger, was es mit seiner
Flucht auf sich hatte. Er hatte das Gespräch der beiden Kriminalbeamten mit
seinem Vater vom Fenster aus mitverfolgt und schließlich erfasst, dass es um
ihn selbst ging. Daraufhin hatte er in einer Kurzschlusshandlung das Haus durch
den rückwärtigen Ausgang verlassen und war mit seinem Motorrad so leise wie
möglich getürmt.
    »Und wo haben Sie die ganze Zeit gesteckt?«, fragte Morgenstern.
    »Ganz in der Nähe. In unserem Feuerwehrhaus. Ich hab einen
Zweitschlüssel. Und als ich auf Radio IN gehört habe, dass nach mir gefahndet wird, habe ich so lange wie möglich den
Kopf in den Sand gesteckt. Aber das ist jetzt vorbei. Ich bin da: Machen Sie
mit mir, was Sie wollen.«
    »Jetzt rufen Sie als Erstes Ihre Eltern an«, befahl Morgenstern und
reichte Kevin Hofmeier sein Handy. »Und dann wollen wir jedes noch so kleine
Detail zu Ihrer Brandserie wissen.«
    »Die Schwarzmühle … Ich war’s nicht«, sagte Hofmeier.
    »Haben Sie ein Alibi?«, fragte Hecht.
    »Ich war im Bett.«
    »Das ist zu wenig.« Hecht schaute Morgenstern an und stimmte sich
wortlos mit ihm ab. Dann wandte er sich wieder Kevin Hofmeier zu. »Sie
telefonieren jetzt. Danach kommen Sie bis morgen früh in die Arrestzelle, da
haben Sie Zeit zum Nachdenken. Morgen sprechen wir uns wieder. Und dann wissen
wir auch, ob wir Haftbefehl gegen Sie beantragen.«
    Der junge Mann begann herzzerreißend zu weinen.
    Morgenstern dachte an den reuigen Briefträger. »Mir wird in letzter
Zeit entschieden zu viel geweint«, sagte er. »Die Männer sind nicht mehr das,
was sie einmal waren.«
    Am Abend gab es für Morgenstern eine Überraschung: Fiona erwartete
ihn mit den Kindern bereits am Eichstätter Stadtbahnhof. Er hatte seine Ankunft
per Handy angekündigt, aber dass nun gleich ein Empfangskomitee am Gleis stand,
hatte es noch nie gegeben.
    »Was ist denn hier los?«, fragte er in die Runde.
    »Wir holen dich ab«, sagte Bastian fröhlich.
    »Wir müssen dir was Tolles erzählen«, erklärte Marius.
    »Wir müssen anstoßen«, sagte Fiona. »Auf geht’s ins Paradeis!«
    Das Paradeis, eigentlich »Restaurant-Café im Paradeis«, befand sich
mitten am Marktplatz und lag zwischen dem gotischen Rathaus und der Filiale der
Volksbank-Raiffeisenbank Bayern-Mitte und bestand aus zwei aneinandergebauten
Häusern, die für die gastronomische Nutzung zu einer Einheit verschmolzen
worden waren. Der Vorderbau war äußerlich zwar barock, aber das lag nur an der
vorgeblendeten Fassade. In Wirklichkeit reichten beide Paradeis-Häuser bis ins
14. Jahrhundert zurück. Nach vorn gab es eine große Terrasse, die jetzt im
Sommer ständig bevölkert war; im Inneren dominierten dunkle gotische
Balkendecken. Zu rustikal für Morgensterns Geschmack. Aber genau deswegen hatte
Fiona das Paradeis ausgewählt.
    Die Morgensterns gingen ins Innere, obwohl draußen die Sonne schien.
Morgenstern sah auf der ganze Breite eines dicken Querbalkens eine hölzerne
Schlange, die aus einem einzigen Brett gesägt war und den Bezug zum »Paradeis«
herstellen sollte: die falsche Schlange, die einst Eva den Apfel aufgeschwatzt
hatte. Und der dumme Adam hatte mitgemacht mit der Folge, dass die ersten
Menschen ab sofort »jenseits von Eden« zu wohnen hatten.
    Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit. Die Kinder zogen und zerrten
an Morgensterns Ärmeln. Fiona ging geradeaus in den rückwärtigen Bereich des
Lokals, wo die dunkelbraune Holzvertäfelung am rustikalsten war. Im Vorbeigehen
hatte sie bei einer Kellnerin zwei Gläser Sekt und zwei Gläser Coca-Cola
geordert.
    »Holla«, sagte Morgenstern. »Heute ist was im Busch.« Dabei wurde es
ihm immer mulmiger, denn er konnte sich nur zu gut vorstellen, worum es ging.
Er hatte den

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