Hausbock
manchmal müssen wir auch Verbote erlassen. Wir stellen
uns quer. Das ist unsere Aufgabe, im Dienste der Allgemeinheit. Glauben Sie
mir, ich habe mir im Laufe meiner Amtszeit schon manchen Hausbesitzer zum Feind
gemacht. Das gilt übrigens auch für Bürgermeister und Landräte. Im
bischöflichen Bauamt ist man ebenfalls nicht immer gut auf uns zu sprechen. Und
dass es hier in Ingolstadt knirscht, haben Sie soeben live erleben dürfen.«
»Viel Feind, viel Ehr«, sagte Hecht.
»Sie sagen es. Aber bei Dr. Ledermann hatte ich eigentlich ein
anderes Gefühl. Ich war sicher, wir beide ziehen an einem Strang. Und das
Ergebnis war hervorragend. Diese Mühle war ein Musterbeispiel für gelungene
Zusammenarbeit.« Pfunder schüttelte den Kopf. »Ich bin da wirklich enttäuscht.«
Hecht nickte voll inniger Anteilnahme. »Wir können uns den Brief
nicht recht erklären, und deshalb dachten wir, wir fragen Sie einfach danach.
Nichts für ungut.«
»Schon recht«, sagte Pfunder. »Mir ist es immer lieber, wenn mit
offenen Karten gespielt wird. Dieser Brief … An wen ging der denn?«
»Ach, habe ich das noch nicht gesagt? Das war ein Schreiben an die
Deutsche Stiftung Denkmalschutz in Bonn. Schon vor fünf Jahren. Wir sind eben
erst drauf gestoßen.«
»Die Stiftung«, sagte Pfunder mit beleidigtem Unterton. »Unsere
guten Partner aus dem Ehrenamt. Eine hervorragende Einrichtung. Sehr
verdienstvoll. Doch, doch. Und was wollte Dr. Ledermann damals von der
Stiftung?«
»Stiften natürlich«, sagte Hecht. »Stellen Sie sich vor: Seitdem hat
er jeden Monat fünfhundert Euro nach Bonn überwiesen.«
»Sehr honorig«, sagte Pfunder und schwieg dann eine Weile, als ob er
diese Nachricht erst einmal sacken lassen müsste. Schließlich sagte er: »Wir
haben uns für diese Mühle finanziell relativ weit aus dem Fenster gelehnt. Die
Mühle war aus meiner Sicht ein Baudenkmal von überregionaler Bedeutung. In
ihrer Art absolut einzigartig. Und Herr Ledermann hat uns immer vermittelt,
dass er auf finanzielle Hilfe angewiesen ist.«
»Ich verstehe«, sagte Hecht. »Aber in der Tat war es so, dass Herr Ledermann
finanziell gewisse Möglichkeiten hatte. Diese fünfhundert Euro an die Stiftung
waren das eine, aber er hat auch seine Tochter parallel dazu mit derselben
Summe unterstützt.«
»Seine Tochter«, sagte Pfunder überrascht.
Hecht nickte. Pfunder überlegte. »Nun gut, er hätte seine Zuwendungen
dennoch erhalten. Das sind schließlich keine Entscheidungen, die nach
Gutsherrenart gefällt werden. Wir sprechen von Steuergeldern.«
Morgenstern dachte an den Nachbau des historischen Kachelofens mit
den grünen Engelsköpfchen. »Sie wissen also auch nicht, wie Dr. Ledermann
zu einer so kritischen Sichtweise gekommen ist?«, fragte er.
»Nein, ganz und gar nicht. Wir hatten immer ein außerordentlich, wie
soll ich sagen, partnerschaftliches Verhältnis. Über all die Jahre.« Pfunder
wandte sich ab. »Ich kann das alles nicht verstehen«, sagte er. »Jetzt ist der
Mann tot.«
»Eine andere Sache fällt mir gerade noch ein, Herr Pfunder: Wussten
Sie, was Dr. Ledermann bei seinem Tag der offenen Tür vorhatte? Er hatte
eigens die Presse eingeladen.«
Pfunder richtete sich kerzengerade auf. »Nein, was wollte er denn
bekannt geben?«
»Er wollte die Gründung eines eigenen Denkmalschutzvereins ankündigen.
Eines Vereins, der besonders hart um die alten Häuser kämpfen sollte. Ohne
Samthandschuhe. Unter seiner Führung.«
Pfunder machte einen runden Mund. »Oh«, sagte er langsam. »Ein neuer
Verein.«
»Genau«, sagte Morgenstern. »Das hätte für eine knackige Schlagzeile
in der Zeitung gesorgt.«
»Da haben Sie recht.«
»Wir gehen dann wohl besser«, entschied Morgenstern. »Herr Pfunder,
wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, rufen Sie uns bitte an.« Er gab ihm eine
Visitenkarte.
Pfunder warf einen Blick darauf. »Morgenstern«, murmelte er.
»Morgenstern. Den Namen habe ich erst gehört.«
»Wir haben uns neulich an der Brandruine gesprochen«, sagte Morgenstern,
konnte sich aber nicht mehr erinnern, ob er sich dabei nach allen Regeln der
Höflichkeit vorgestellt hatte.
»Ach, das wird’s gewesen sein«, sagte Pfunder. Aber ihm war anzusehen,
dass ihn diese Antwort nicht ganz zufriedenstellte.
Die Kollegen von der Kripo in Schwabach hatten ganze Arbeit
geleistet: Am Nachmittag erhielt Hecht den schriftlichen Bericht über die
Ermittlungen bei Rupert Ledermanns »Justizopfern«.
»Außer Spesen nichts
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