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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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flaches Betongebäude.
Als Morgenstern und Hecht ankamen, übten sich an der Tür gerade ein paar junge
Burschen im Kronkorken-Weitwurf.
    Sie fanden Pfunder mit zwei anderen Männern im Foyer des Theaters.
Er deutete gerade mit euphorischen Armbewegungen zu riesigen, neblig
angelaufenen Fensterflächen. Die beiden anderen blickten bekümmert drein. Als
er Morgenstern und Hecht bemerkte, winkte er ihnen zu.
    »Einen kleinen Moment noch bitte. Wenn Sie draußen warten könnten,
dann komme ich gleich.«
    Sie sahen sich um. »Das Ingolstädter Theater«, seufzte Hecht. »Ein
Ort des Grauens.«
    Morgenstern blickte ihn ratlos an.
    »Hier hatte ich vor dreißig Jahren den Abschlussball meines Tanzkurses.
Eins-zwo-drei tscha-tscha-tscha zwo-drei. Die ganze Schrobenhausener Realschule
hat damals in der Schulaula Tanzkurs gemacht, und als krönendes Finale gab es
dann hier in Ingolstadt den großen Abschlussball.« Hecht sah sich seine
Handflächen an. »Ich bekomme heute noch schweißnasse Hände, wenn ich nur daran
denke. Ich hatte einen viel zu engen, geliehenen Nadelstreifenanzug an. Meine
Tanzpartnerin war einen Kopf größer und tanzte sogar noch schlechter als ich.
Und das soll was heißen. Dieser Festsaal hier: Der ist das Grab meiner Jugend.«
    »Und ein Theaterstück hast du dir hier nie angesehen?«
    »Doch, klar. Wo denkst du hin. Ich kann mich noch ganz gut erinnern.
Das muss damals zur selben Zeit gewesen sein. Mit der Schule. Goethes ›Faust‹.«
    »Also auch vor dreißig Jahren«, sagte Morgenstern unbarmherzig.
    »Ja mei«, sagte Hecht und machte sich auf den Weg. »Aber für diesen
Herbst habe ich Karten fürs Chiemgauer Volkstheater: Die spielen in der
Schrobenhausener Stadthalle den ›Verkauften Großvater‹.«
    »Na super, dann ist die Kultur ja gerettet«, sagte Morgenstern.
    Sie setzten sich vor dem Theaterbau in die Sonne und warteten auf
Pfunder. Nach einer Weile kam er mit den beiden anderen heraus, die noch
missmutiger schienen als zuvor, und verabschiedete sie mit einem knappen
Händedruck.
    »So, da wären wir«, sagte er, als er zu Hecht und Morgenstern kam.
»Die beiden Herren eben waren von der Bauverwaltung im Ingolstädter Rathaus.
Ich kann Ihnen sagen: Man hat’s nicht leicht. Überall nur Ahnungslosigkeit und
Banausentum.« Pfunder deutete auf den riesigen Betonkomplex des Theaters. »Wenn
man denen freie Hand ließe … dann würden die alles abreißen. Sie würden
das Haus nicht wiedererkennen.«
    »Ja, vorhin erst hat mein Kollege einen ganz ähnlichen Vorschlag
gemacht«, sagte Morgenstern und grinste übers ganze Gesicht.
    Pfunder guckte sauertöpfisch. »Laien haben da natürlich kein Auge
für, deswegen gibt es uns. Dieses Theater ist ein hochwertiges Beispiel der
Architektur der 1960er Jahre. Ganz und gar großartige Architektur. Ab-so-lut
schützenswert. Und dann kommen mir diese Herren«, er deutete in Richtung
Rathausplatz, »dann kommen mir die mit ihren Heizkosten und undichten Fenstern
und kaputten Dichtungen und tropfenden Wasserrohren. Und mit ihren
Brandschutzbestimmungen! Oh, dieser verdammte Brandschutz, dieses ewige
Totschlagargument. Der Bau steht unter Denkmalschutz! Seit 2003. Basta!«
    Als er immer noch verständnislose Blicke erntete, fügte Pfunder
hinzu: »Oder würden Sie den Eiffelturm in Paris abreißen, bloß weil er rostet?
Das hier ist ein Bauwerk, um das es sich zu kämpfen lohnt. Das ist jede Mühe
wert. Und ich werde kämpfen. Wie ein Löwe.« Er ballte die Hände zu Fäusten.
    Dann besann er sich. »Aber deswegen sind Sie nicht hier. Sie
sprachen am Telefon von Dr. Ledermann von der Schwarzmühle. Wie kann ich
Ihnen helfen?«
    Hecht räusperte sich. »Wir haben hier ein Schreiben von Dr.
Ledermann, in dem er sich über die, ähm, über die Unfähigkeit, verzeihen Sie,
der amtlichen Denkmalpflege beschwert. Und da wollten wir gerne wissen, was Sie
dazu sagen.«
    »Entschuldigung, haben Sie eben ›Unfähigkeit‹ gesagt?«
    »Ja, so ungefähr hat sich Herr Ledermann ausgedrückt.«
    »Da überraschen Sie mich jetzt«, sagte Pfunder. »Wie Sie vielleicht
wissen, haben wir gerade die Generalsanierung seiner Mühle ausgesprochen
großzügig unterstützt. Ich muss schon sagen, dass mich so ein Vorwurf dann
besonders schmerzlich trifft.«
    »Das haben wir uns gedacht«, sagte Hecht.
    Pfunder atmete hörbar durch. »Das Landesamt hat draußen auf dem Land
nicht nur Freunde. Wir greifen in die Nutzungsrechte von Privatpersonen ein.
Wir machen Vorschriften,

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