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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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anderer Gast, der bis dahin schweigend am Tresen gesessen war,
wandte sich an Morgenstern. »Da oben?«, fragte er. »Das wird dann wohl das
Hallhuber-Haus sein.«
    Als Morgenstern nicht antwortete, erklärte er dem Wirt: »Das ist
diese uralte Burg mit dem Stadel. Die steht schon seit zehn Jahren leer. Die
will keiner haben. Ich würde sie auch nicht wollen. Nicht einmal geschenkt.«
    Morgenstern war beleidigt und wandte dem Lästermaul demonstrativ den
Rücken zu. Auch wenn er von dem ganzen Projekt nicht restlos überzeugt war: So
unqualifizierte Bemerkungen hatte das Haus nicht verdient. Es war eigentlich
ein schönes Haus, fand er jetzt, wo er sich plötzlich in der
Verteidigungsposition befand. Wie hatte die Maklerin gesagt: ein Rohdiamant. Er
ärgerte sich, dass er hergekommen war und noch ein fast volles Glas Bier vor
sich stehen hatte. Nun musste er sich mit einem solchen Ignoranten abgeben, der
von Jurahäusern keine Ahnung hatte. Wenn Fiona hier wäre, die würde dem Kerl
die Leviten lesen und ihm sämtliche Ausgaben des Vereinsmagazins »Das Jurahaus«
um die ungewaschenen Ohren schlagen.
    Morgenstern trank sein Bier in mehreren großen Schlucken aus.
    »Ich geh dann wohl besser«, sagte er, immer noch beleidigt und
inzwischen auch deutlich angeschlagen.
    »Jetzt warten Sie halt«, sagte der Wirt. »Vielleicht kommt die Raphaela
wieder.«
    Der Gast schaute Morgenstern überrascht an. »Du suchst die Raphaela?«
    »Habe ich doch gerade schon gesagt.«
    »Hab ich nicht mitgekriegt.« Der Gast trank von seinem Bier. Wischte
sich dann gemächlich den Mund ab und überlegte offenbar, was er diesem
seltsamen Kneipenbesucher wohl erzählen durfte. Dann grinste er
verschwörerisch. »Sie hat vorhin telefoniert, hinten beim Klo. Ich hab zufällig
mitgehört. Sie wollte mit’m Motorrad zum Friedhof fahren, um sich mit einem
Typen aus München zu treffen. Das ist bestimmt so ‘ne Gothic-Sache. Schrill, oder?«
    Morgenstern stand so abrupt auf, dass der Barhocker umkippte. »Am
Friedhof?«, fragte er. »Mit einem Typen aus München?«
    »Ist doch lustig. Oder nicht?«, fragte der Gast ratlos.
    Morgenstern ging hinaus auf die Straße und lief die Luitpoldstraße
hinab. Erst langsam, dann begann er zu rennen. Er bog in eine schmale Gasse
nach links ab, die mitten durch einen alten Stadtmauerturm führte. Zur Linken,
direkt an die Stadtmauer gebaut, befand sich das Gemeindezentrum der
Katholischen Hochschulgemeinde. Die ganze Gasse war mit Fahrrädern zugestellt,
denn die Hochschulgemeinde betrieb eine florierende Kneipe. Ein paar Studenten,
die gerade ihre Räder abstellten, sahen dem rennenden Morgenstern erstaunt
hinterher. Es ging über den Kardinal-Preysing-Platz, dann hinter einem
Blumenladen wieder nach links, dann noch einmal hundert Meter geradeaus.
    Schwer atmend stand Morgenstern vor dem schmiedeeisernen,
doppelflügeligen Haupttor des großen Friedhofs, der sich in der Ostenvorstadt
direkt hinter der Eichstätter Altstadt befand. Er überprüfte das Tor. Es war
verschlossen. Hätte er sich denken können. Sein Herz schlug wild, er spürte den
vielen Alkohol, den er heute schon zu sich genommen hatte. Vorsichtig sah er
sich um, ob er vielleicht von den umliegenden Häusern aus beobachtet wurde.
Alles schien ruhig. Er zögerte kurz. Dann zog er sich an dem Gittertor des
Friedhofs hinauf. Er schwang gerade das rechte Bein über die spitzen
Eisenstangen des Tors – eine ausgesprochen missliche Position –, als
ihn der unbarmherzige Strahl eines Autoscheinwerfers frontal erfasste und
blendete.
    »Verdammt«, sagte er halblaut.
    Der Wagen kam näher. Jetzt war auch zu erkennen, was für ein Auto
das war: ein Streifenwagen der Polizeiinspektion Eichstätt.
    Ein Beamter stieg aus und herrschte Morgenstern an: »Kommen Sie
sofort da runter!«
    Morgenstern lächelte gequält. »Hallo, Kollegen. Ich bin’s. Mike Morgenstern
von der Kripo.«
    »Ich glaub, mich tritt ein Pferd«, sagte der Streifenbeamte. »Was
hast du denn vor?«
    Nachdem Morgenstern umständlich wieder zum Boden zurückgekehrt war,
schilderte er die Situation. Gemeinsam mit den beiden Kollegen umrundete er
daraufhin den Friedhof auf der Suche nach ungebetenen Besuchern. Zehn Minuten
später war klar, dass der Eichstätter Friedhof an diesem Abend ganz allein den Toten
gehörte. Alle Eingänge waren ordnungsgemäß verschlossen. Im Inneren war nichts
Verdächtiges zu hören oder zu sehen.
    »Das gibt’s doch nicht«, sagte Morgenstern. »Sie muss

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