Hausbock
sich an.
»Wir kommen mit«, entschied Morgenstern. »Ich habe da so ein
Gefühl.«
Mit einem Streifenwagen fuhren sie zur Rebdorfer Straße, stellten
den Wagen ein kleines Stück von dem alten Haus entfernt ab und gingen den Rest
zu Fuß. Still stand das Haus im Sonnenlicht, mit traurig in den Angeln
hängenden Fensterläden und abgewittertem Verputz. »Vorsicht – Denkmal!«
war mit roter Farbe auf die Fassade gesprüht.
Sie umrundeten das kleine Gebäude, das nur durch schmale Durchgänge
von den Nachbarhäusern getrennt war. Hinten befand sich ein Garten, der in
Terrassen den Hang hinaufreichte. War der Garten auch klein, so bot er immer
noch Platz für einen windschiefen Holzschuppen, luftig aus Holzlatten
konstruiert. Leise ging Morgenstern auf den Schuppen zu und öffnete die
angelehnte Tür. Das Sonnenlicht fiel auf ein Geländemotorrad. Eine weiße Suzuki 650
mit blauem Sitz.
Die Hintertür des Hauses war abgesperrt, wahrscheinlich von innen
durch einen Türriegel. Doch zwei Fenster waren eingeschlagen und dadurch leicht
zu öffnen. Morgenstern wusste, wem er das zu verdanken hatte: den
Steinschleudern seiner Kinder. Vorsichtig machte er eines der Fenster auf, gab
Hecht ein Zeichen, sich an die Außenmauer zu lehnen und die Finger zur
Räuberleiter zu verschränken, dann kletterten er sowie einer der beiden Landpolizisten
ins Haus.
Als er vom Fensterbrett ins Zimmer sprang, machte Morgenstern mit
seinen Stiefeln allerdings einen solchen Lärm, dass es durchs ganze Haus
hallte, und so stürmten die beiden Beamten nach kurzem Blickwechsel nach GSG -9-Art
in den Flur, schoben den Riegel der Haustür auf, ließen die anderen herein und
rannten dann die steile hölzerne Treppe in den ersten Stock.
Raphaela Ledermann saß in einem abgedunkelten Zimmer auf einem
eisernen Bettgestell mit einer alten, durchgelegenen Matratze und sah
Morgenstern resigniert an. »So früh hab ich dich nicht erwartet, Bulle. Gibt’s
bei euch Kaffee?«
»So viel Sie wollen«, sagte Morgenstern.
»Dann komm ich mit.«
Bis zum Mittag hatte Raphaela Ledermann, assistiert von ihrem Bruder
Aurelius, ein Geständnis abgelegt.
Vor fünf Jahren habe Denkmalpfleger Lothar Pfunder versucht, ihren
Vater bei der Sanierung der Schwarzmühle unter Druck zu setzen. »Mit Zuckerbrot
und Peitsche«, sagte sie. Pfunder habe unter vier Augen angeboten, hohe
Zuschüsse möglich zu machen, allerdings nur bei einer gewissen finanziellen
Beteiligung des Bauherrn. Andernfalls könne es leider geschehen, dass man im
fernen München Herrn Ledermanns Begeisterung für die Schwarzmühle im
Anlautertal nicht im erhofften Umfang teilen könne.
»Mein Vater hat eine Weile gebraucht, bis ihm klar war, was Pfunder
wollte«, sagte Raphaela. »An dem Tag war ich als Einzige zu Hause. Und in
seiner Verwirrung und Empörung hat er ausgerechnet mir von diesem
Erpressungsversuch erzählt. Er wollte Pfunder auf der Stelle anzeigen. Aber ich
hatte eine bessere Idee.«
»Sie haben ihm geraten, den Spieß umzudrehen«, sagte Morgenstern.
»Aber wie war das möglich? Sie haben doch gesagt, dass es bei dem Gespräch
keine Zeugen gab.«
Raphaela Ledermann tippte auf das Aufnahmegerät, das vor ihr lag.
»Mein Vater war ein Perfektionist. Er hat von solchen Gesprächen immer
Protokolle angefertigt. Und deswegen hatte er bei geschäftlichen Terminen immer
ein kleines Diktiergerät dabei. Ganz unauffällig in der Brusttasche seines
Anzugs. Er hat sich nichts dabei gedacht. Für ihn war das nur eine
Erinnerungsstütze.«
»Ist aber verboten«, sagte Morgenstern.
»Na und? Jedenfalls hatten wir einen Beweis für diesen
Erpressungsversuch. Und als mein Vater Pfunder damit am nächsten Tag
konfrontiert hat, bekam er Panik. Er kam zu uns zur Mühle, und mein Vater legte
fest, dass Pfunder monatlich tausend Euro zahlen sollte, für einen guten
Zweck.«
»Für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz«, sagte Hecht.
»Genau. Das war als Wiedergutmachung gedacht.«
»Aber Ihr Vater hat die Hälfte davon Ihnen gegeben, zur freien
Verfügung. Weil Sie seine Mitwisserin waren«, sagte Morgenstern.
»Weil die Idee von mir war. Ich habe ihm klargemacht, dass ich die
Kohle gut brauchen kann.«
»Hatten Sie denn nie Angst, dass Pfunder nicht mehr mitmachen
würde?«, fragte Hecht.
»Warum denn? Mein Vater hatte die Kassette, und Pfunder hatte nichts
gegen ihn in der Hand. Das lief alles mit Bargeld, in Briefen ohne Absender.
Auch meine Idee. Die Sache war hieb-und
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