Hausers Zimmer - Roman
unterhalten? Aber eine diffuse Angst, ihm näherzukommen, hielt mich ab. Als Fiona mich am Arm antippte: »D a – is t – er!«, und auf den dunklen Lockenschopf mit der Gitarre auf seiner Yogamatte zeigte, ging ich weiter und winkte Herrn Adán im Vorbeigehen zu. Er lächelte mich unverändert an, vertiefte sich dann aber in ein medizinisches Fachbuch.
Isa knuffte mich in die Seite. »Dass der sich derart zuknöpft! Ich sag doch: Ein Fall für meine Mutter.«
»Bevor er zu deiner Mutter kommt, muss er erst was verbrochen habe n …«, wandte ich ein.
»Dann kannst du ja noch ein Geheimnis aufdecke n – das würde dir doch gefallen, oder?« Isa sah mich von der Seite her an. Als wir in Richtung Schwimmbecken liefen, wo der Yogalehrer sich niedergelassen hatte, merkte ich, dass Herr Adán uns hinterherschaute.
Vor dem großen Becken stand auf einmal ein Bademeister. So jemanden hatte ich hier ja lange nicht mehr gesehen! Sein Blick wanderte zu uns, dann entdeckte er auf den Bumshügeln den Lochow-Fuchs. In diesem Moment fingen zwei Jungen unten vor dem Zehnmeterturm an, sich anzubrüllen und gegenseitig zu treten. Der Bademeister guckte ein paar Mal hin und her zwischen dem Fuchs auf dem Hügel und den schon auf dem Boden herumrollenden Jungen, dann beschloss er, dass die Jungen die größere Gefahr für den Frieden im Lochow darstellten. Er näherte sich dem Zehnmeterturm.
Nachdem der Yogalehrer eine barbusige Gitarristin mit Küssen begrüßt hatte, war Fiona der Ansicht, sofort nach Hause zu Anna zu müssen, um ihr beim Bedrucken von Seidentüchern zu helfen. Isa und sie gingen bald. Ich setzte mich noch zu den Schachspielern. Nach einer Weile bemerkte ich Herrn Adán, der ebenfalls das Spiel verfolgte. Er lächelte mich an, kam aber nicht zu mir. Dafür hockte plötzlich der Lochow-Fuchs an meiner Seite, und ich gab ihm meine eigentlich für Karl und Erwin bestimmten Brötchen. Auch die Kekse und die Äpfel schob ich ihm hin. Scheu war der grölende Freibadgäste gewöhnte Fuchs wirklich nicht.
Zu Hause fragte Wiebke mich, ob ich Karl und Erwin die Tasche mit den Lebensmitteln vorbeigebracht habe. Auf meine ehrliche Antwort hin, dass bis auf die Marmelade und die Melone alles in den Magen vom Lochow-Fuchs gewandert sei, regte sich Wiebke zunächst auf. Auch meine Begründung, dass Karl und Erwin schließlich beim Grillen auf dem Dachgärtchen durchgefüttert worden seien, überzeugte sie nicht recht. Aber es war ein sehr heißer Tag gewesen, und Wiebke wurde zum Glück nicht sauer. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. »In Ordnung, nächstes Mal kaufe ich für Karl, Erwin und den Fuchs ein.«
Ich fragte mich, wem ich alles in zehn Jahren Lebensmittel vorbeibringen sollte, wenn es mit Wiebkes sozialer Ader so weitergehen würde. Dann sollte ich vermutlich noch den Ratten im Hof Kaviar servieren.
Pilgerfahrt nach Kassel – Die menschliche Scheiße ausblenden
Am nächsten Tag fuhr Klaus zur documenta nach Kassel. Beim Frühstück schwärmte er über die Auswahl der Künstler. »Gerhard Richter! Cy Twombly! Katharina Sieverding!« Mein Vater las uns gnadenlos die ganze Liste vor. »Claes Oldenburg! On Kawara! Sol LeWitt!« Wir hatten schon längst unseren letzten Schluck Kaffee getrunken, als er immer noch vorlas. »Franz Erhard Walther! Imi Knoebel!« Aber Falk und ich wussten, er wäre sehr getroffen, wenn einer von uns einfach aufgestanden wäre. Wir waren oft kaltschnäuzig, aber nicht in solch sensiblen Momenten. Man stürzt auch nicht mitten in der Predigt aus der Kirche, zumal, wenn man in der ersten Reihe sitzt. Am Ende sagte Klaus: »Ein Name fehlt noch!« Ob er wirklich eine Antwort erwartete? Er schaute uns an, aber eher durch uns hindurch, auf einen fernen Punkt im Nirgendwo. Nach einer bedeutungsvollen Pause rief er: »Bruce Nauman!« Dann räsonnierte Klaus, dass dies die theoriefernste documenta seit langem sei, dass sie auf eine neue Sinnlichkeit, wie er das nannte, einen neues »direktes« Erleben von Kunst setze. Woraufhin Wiebke nur, während sie den Römertopf für das Abendessen präparierte, murmelte: »Na, dann nichts wie hin, Klaus.«
Klaus schwieg beleidigt. »Ich verstehe gar nicht, dass du nicht mitkommst.«
»Ich muss mich schließlich um die Kinder kümmern.«
Ich glaubte nicht recht zu hören.
»Geh ruhig mit zur documenta !«, rief Falk sofort.
Jetzt war Wiebke beleidigt.
»Wir können doch echt ein paar Tage allein sein, das waren wir doch schon oft«, meinte ich
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