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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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und so verabredeten wir uns für zehn vor acht am Bahnhof Zoo. In der Nähe war das Quasimodo .
    Gegen halb acht zog ich mir eine Jeans, ein dunkelblaues Männerhemd aus der Garage , einem großen Secondhandladen, und eine Wildlederweste an. Ich ging zur Tür und rief einmal sehr laut »Tschühüss « – für den Fall, dass Wiebke und Klaus schon von ihrem Ateliertreff zurück waren und sich irgendwo in der Wohnung verkrochen hatten. Dunkel erinnerte ich mich, dass Wiebke heute Abend mit Anna zu einem Fest im Völkerkundemuseum gehen wollte. Sie hatte noch versucht, mich zum Mitkommen zu überreden.
    Am Zoo fiel mir ein Mädchen auf, das nicht viel älter war als ich. Es schaute auf die vielen Autos, die an uns vorbeifuhren. Das Mädchen war extrem dünn und trug Hot Pants und Lackstiefel, aber am auffälligsten waren seine Blässe und die dunklen Augenringe.
    »Hall o … Jule.« Ein junger Mann in schwarzen Jeans, anthrazitfarbenem Seemannspulli und mit Nickelbrille stand vor mir und schüttelte mich sanft an der Schulter. Ich tauchte aus meinen Gedanken auf und grinste Steffen an. Gemeinsam gingen wir in Richtung Kantstraße. Als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, wie das Mädchen mit den Hot Pants von einem Mann in einem Käfer mit Anti- AKW -Aufkleber mitgenommen wurde.
    Vorm Quasimodo herrschte Gedränge. Die meisten Leute waren älter als wir, jedoch weniger grell gekleidet als die Riverboater . Drinnen war es dunkel. Wir gingen an die Bar, und Steffen bestellte zwei Gläser Wein für uns. Vielleicht lag es daran, dass er zwei Köpfe größer war als ich, aber ihn ließ der Barmann keine fünfzehn Minuten warten. Bis das Konzert anfing, hatten wir noch Zeit. Wir setzten uns mit unseren Getränken an die Bar.
    Ich betrachtete Steffen von der Seite. Er war nicht hübsch mit seiner riesigen Nase und den hellen, kaum sichtbaren Augenbrauen, aber auch nicht hässlich. Die merkwürdigen weißen Handschuhe, die er eine Weile lang getragen hatte, hatte ich lange nicht mehr an ihm gesehen. Ich wusste jetzt, dass er Neurodermitis gehabt hatte. Wir sprachen viel miteinander, aber schauten uns kaum in die Augen.
    Die Vorband gab noch eine Zugabe, und einige Leute klatschten. Steffen meinte zu mir, die Vorband seien »Lokalhelden«. Er benutzte oft eine gewählte Sprache, aber mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass es auf mich nicht eingebildet wirkte. Ich fragte ihn, seit wann er Jazz höre und ob er auch andere Musik hören würde. Er grinste und meinte, Jazz gebe es für ihn erst seit ein, zwei Jahren, vorher habe er nur Klassik gehört, »ehrlich gesagt, Opern«. Seine Mutter wollte früher Sängerin werden, brachte es dann aber nur zur Garderobenfrau in der Deutschen Oper. Ihre Liebe zur Oper teile er durchaus, auch wenn sein Musikgeschmack breitgefächerter sei. Steffen wirkte immer so erwachsen, wenn er sprach.
    Die Hauptband begann zu spielen. Sie hieß Yesterday’s Train , und die Bandmitglieder trugen graue oder schwarze Anzüge, Krawatten und Brillen wie Klaus auf alten Fotos. Die Musik klang genauso wie bei der Vorband, nur guckten die Typen der Hauptband selbstbewusster. Ich war bisher nur einmal mit Fiona und Anna bei Gianna Nannini und mit Klaus und Falk bei den Stones gewesen. Wiebke war nicht mitgekommen, weil sie nicht »zertrampelt« werden wollt e – eine merkwürdige Vorstellung, dass ausgerechnet meine üppige Mutter solch ein Schicksal hätte ereilen sollen. Klaus hatte unbedingt vorne stehen wollen, also gingen wir schon um drei Uhr mittags zum Olympiastadion, obwohl das Konzert erst um acht anfangen sollte. Fünf Stunden hatte ich eingequetscht zwischen Klaus und Falk und irgendwelchen schubsenden Idioten verbracht, nichts gegessen oder getrunken, geschweige denn eine Toilette aufsuchen können. Dann kam erst die Vorband, irgendwelche langhaarigen, wild auf der Bühne herumgaloppierenden Iren, und nach weiterem ewigen Warten tatsächlich Mick Jagger, Keith Richards und Co. Klaus hüpfte wild herum, sein dünner Körper schnellte immer wieder in die Luft, ich hörte ihn sogar gröle n – die Verwandlung von Klaus fand ich viel interessanter als den vorne regungslos herumklampfenden Keith Richards.
    Steffen beugte sich zu mir und fragte mich, wie mir Yesterday’s Train gefalle. Ich wiegte den Kopf. »Doch, gefällt mir schon, ist nicht total mitreißend, aber angenehm. Und wenigstens wird man nicht zertrampelt wie bei den Stones .«
    Steffen lachte. Dann legte er kurz den Arm um

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