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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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der documenta ?« Wiebke band sich ihr dickes, feuerrotes Haar zu Zöpfen.
    »Das habe ich nicht gesagt. Im Zug nach Kassel habe ich gesagt. Wahrscheinlich irgendein Rockertreffen in Restdeutschlan d …«
    »Wieso dann per Zug und nicht mit’m Motorrad?«
    »Der kann die besser auseinander- als zusammenlege n …«, frotzelte Falk.
    Der Hauser war also in Deutschland geblieben, und sein Motorrad stand vermutlich in der Werkstatt. Ich war enttäuscht.
    In der Nacht träumte ic h – vom Adán. Ich fahre allein, ohne den Hauser, auf einem Motorrad, durch eine Landschaft, die ich nicht kenne. Sie ist nicht besonders schön, das Gras ist braun und verdorrt, die Bäume verkrüppelt, die kahlen Berge sehen abweisend aus. Ich frage mich, ob ich in Patagonien bin, und denke, dass es mir dort vielleicht nicht gefallen könnte. Der Schotterweg führt an ein Häuschen, in dem ein Pförtner sitzt. Über dem Häuschen leuchtet ein großes, rotes A. Herr Adán betritt die Straße in seinem weißen Kittel und winkt mich heran. Ich erinnere mich im Traum deutlich an seine Augen und den schwarzen Schnurrbart. Er scheint mich erwartet zu haben. Er ruft etwas Entschuldigendes über die Gegend, das karge Land. Hält eine Flasche Wasser hoch. Dann eilt er auf mich zu, den Blick voller Wärme, fest auf mich gerichtet. Als er vor mir steht, sind seine Lippen rosa geschminkt, und ich erkenne Melanie. Die Berge sind Bullaugen, wir stehen im Riverboat , und Melanie begrüßt mich so, wie sie es in Wirklichkeit nie tun würde. Dann wachte ich auf.
    Am nächsten Tag fand ich einen Zettel unter der Fußmatte. »Wollen wir heute so tun, als ob die Schule erst mit der dritten Stunde anfängt? Fiona macht auch mit bei der Ausrede: Frau Schwundtke sei krank, ist in Bonnies Ranch eingeliefert worde n – na, das sagen wir nicht. Ü – Isa.« Bonnies Ranch, so wurde die Carl-Bonhoeffer-Nervenklinik im Volksmund genannt.
    Wir drei gingen also gemütlich um halb zehn aus dem Haus. Auf der Uhlandstraße zuckte ich zusammen. Diesmal stand Klaus direkt vor der Peepshow. Ich konnte mir nicht mehr einreden, dass er nur in die Boutique nebenan ging. Wir waren ungefähr fünfhundert Meter von dem Plastikvorhang entfernt. Alle halbe Minute huschte jemand hinein oder heraus. Auch um diese Uhrzeit herrschte emsiger Betrieb. Für viele Männer musste die letzte Nacht nicht sehr befriedigend gewesen sein. Offenbar auch nicht für Klaus.
    Dass mein Vater tatsächlich in die Peepshow ging! Dem konnte ich doch nichts mehr anvertrauen. Isa und Fiona redeten durcheinander. Es ärgerte mich, dass Isa das Ganze amüsant zu finden schien. »Guck mal, dein Vater traut sich nicht rein. Der Arme, wir sollten ihm zureden.«
    Ich stieß sie in die Seite. Klaus guckte sich die ganze Zeit die Fotos an, die auf den roten Vorhang geheftet waren. Wir kamen immer näher. Jetzt fasste sich Klaus an sein Jackett, und ich sah, wie er seinen kleinen Zeichenblock zückte. Er begann, eines der Fotos abzuzeichnen.
    Fiona begann zu kichern. »Dein Vater wird sich wohl noch ein Pornoheft leisten können.«
    »Sehr witzig.« Ob Fiona und Isa so reden würden, wenn einer ihrer Väter hier stünde? »Lasst uns bitte die Straßenseite wechseln, ich habe keine Lust, ihm auf die Schulter zu klopfen«, sagte ich, und Fiona und Isa überquerten immerhin anstandslos die Uhlandstraße.
    Mein Vater zeichnete weiter. Er schien sich wirklich Mühe zu geben, hin und wieder radierte er etwas weg, dann setzte er seinen silbernen Bleistift, den er bei Modul an der Lietze für ein Heidengeld gekauft hatte, neu an. Es schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern, dass ihn jemand, den er kannte, sehen könnte. Den vielen Männern, die ein- und ausgingen, schenkte er keinerlei Beachtung. Er drehte nicht einmal den Kopf nach links oder rechts. Vermutlich könnte ich direkt an ihm vorbeilaufen, ohne dass er mich bemerken würde. Bisher hatte ich nur zwei Männer gesehen, denen es komplett egal zu sein schien, was andere über ihr Interesse an der Peepshow dachten, zwei denkbar verschiedene Männer: Der Hauser und mein Vater. Als wir schon längst die Polizeikanzel und das Café Kranzler sahen, stand Klaus immer noch da und zeichnete hingebungsvoll. War die Ehe meiner Eltern merkwürdiger, als ich mir sie vorgestellt hatte?
    Am Abend sah ich Klaus im Wohnzimmer unter der Löche r – Gegenwelt -Lampe sitzen und seine Zeichnung mit einem Gemälde aus einem Katalog vergleichen. Als ich mich auf Zehenspitzen

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