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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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meine Schultern. Er war so viel größer als ich.
    Nach dem Konzert gingen wir nach draußen auf die Kantstraße. Es regnete leicht. Steffen fragte mich, was ich noch machen wolle. Ich dachte kurz an einen Kaktus, den ich umtopfen wollte. Das konnte ich auch morgen machen. Die Kakteen mussten ja nicht immer vorgehen.
    »Lass uns doch ins Schwarze Café gehen«, schlug Steffen vor.
    Im Schwarzen Café hatte ich schon mal mit Klaus, Wiebke und Herrn Wiedemann sowie seiner damaligen, ziemlich punkig aussehenden Freundin gefrühstückt.
    »Von mir aus.«
    Steffen und ich stellten unsere Krägen hoch, dann liefen wir in weitem Abstand zueinander durch den Regen und schwiegen. Vor dem Theater des Westens stand eine große Gruppe lila, pink und zitronengelb gekleideter Damen mit hoch aufgetürmten Frisuren in einer einzigen großen Parfümwolke, die darauf warteten, My Fair Lady zu sehen. Teure Eintrittskarten für die rührselige Geschichte eines armen Blumenmädchens. Ein Hippie fuhr gemütlich auf einem Liegefahrrad mit Joint in der Hand an uns vorbei. Sein Rad hatte sogar einen Regenschutz. Zwei Nutten in identischen schwarz-roten Lackanzügen bogen in die Kantstraße ein, sie unterhielten sich lautstark darüber, wie lange sie es nachts mit ihren Kontaktlinsen aushielten. Unterdessen raste ein Polizeiwagen mit Blaulicht an uns vorbei.
    Aus dem Schwarzen Café schlug uns dichter Rauch entgegen. Ein Kellner mit geschwungenem türkisfarbenen Lidstrich und einem roten T-Shirt, auf dem Property of Satan stand, stürzte an uns vorbei. Wir schoben uns durch die Menge. Am Tresen küssten sich zwei Mädchen mit Glatzen in Matrosenhemden, die eine hatte ein Dollarzeichen auf den Hinterkopf tätowiert. Zwischen jedem ihrer innigen Küsse sahen sie sich lange an.
    »Könnta euch ma’ weitabewejen!«, wurden wir angemotzt. Am anderen Ende des Raums stand gerade ein Nietenpärchen auf, ich schlängelte mich durch die Menge nach hinten. Endlich hatte mein Kleinsein einen Vorteil. Steffen kam mir nur mit Mühe hinterher.
    Kaum hatte ich mich gesetzt, hockte sich ein Typ mit einem bis auf den Boden reichenden abgewetzten schwarzen Wildledermantel und signalrotem Iro zu uns. Er hatte einen sehr intensiven Blick. Ob wir etwas über die Leute wüssten, denen er seine Frisur verdanke, fragte er uns.
    Ich verstand erst nicht, wen er meinte. »Punks?«
    »Die Irokesen!«, sagte er.
    »Ja, und?«
    Er zog seine Augenbrauen hoch. Dann begann er mit eindringlicher Stimme zu sprechen: »Die Irokesen haben am Ende jeder Rede ›hiro kone‹ gesagt. Und das heißt ›Ich habe gesagt‹. Darauf geht der Name zurück. Das weiß ja kein Depp in diesem Dorf.«
    »Schon übel«, pflichtete Steffen bei.
    Unser Gesprächspartner kippte einen Whisky hinunter. »Was wollt ihr noch wissen?«
    »Du meinst über die Irokesen? Oder hast du noch ein anderes Thema zur Auswahl?«, fragte Steffen grinsend.
    Der Typ runzelte die Stirn, dann näherte er sich Steffen, bis er Kopf an Kopf mit ihm war. Steffen wich immer weiter zurück.
    »Willst du meinen Zorn wecken?«, stieß der Typ hervor. »Was soll die Frage? Natürlich über die Irokesen! Nutze deine Chance, immerhin hast du einen wahren Ahnen dieses Volkes vor dir! Ich bin der reinkarnierte Häuptling Hiawatha!«
    Mir ging durch den Kopf, dass Herr Hülsenbeck mal von einem Patienten mit Irokesenschnitt gesprochen hatte, der darauf bestand, mit dem Namen eines Indianerhäuptlings angeredet zu werden. Er war wegen Drogenhandels bei ihm auf der Pritsche gelandet, dann aber in ein Krankenhaus verlegt worden. Herr Hülsenbeck hatte in seiner üblichen schwärmerischen Art gesagt, der Patient sei »extraordinär intelligent«, »höchst belesen« und »äußerst liebenswürdig«. Und nur gelegentlich »affektinkontinent«.
    »Und was ist aus den Irokesen geworden?«, fragte Steffen.
    Unser Gegenüber machte ein trauriges Gesicht. »Die großen Zeiten der Irokesen sind vorbei. Ich sehe keinen einzigen Irokesen eine wichtige Rolle spielen, zumindest nicht wie ich damals. Unsere Frisur ist zur Mode verkommen, aber kaum einer der Irokesenträger heute weiß, dass wir eine matriarchalische Kultur sind: Bei uns haben die Squaws das Sagen, allen voran steht die Clanmutter. Wie ich schon sagte, die großen Zeiten sind vorbei. Die Irokesenliga hat sich aufgelöst. Die alten Sprachen beherrscht kaum noch jemand. Statt Mohawk spricht man Englisch!«
    Ich machte ein betrübtes Gesicht, das mein Gegenüber mit heftigem

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