Hausers Zimmer - Roman
und dachte an die Nachmittage im MeinEck .
Nachdem Klaus losgestürmt war, sagte Wiebke uns, dass sie eigentlich ganz froh sei, wenn er mal ein paar Tage allein unterwegs wäre, das mit uns sei nur ein Vorwand gewesen. Wahrscheinlich wäre es ihr am liebsten, wir führen auch ein paar Tage weg, dachte ich. Aber in unserer Wohnung konnte man sich ja im Grunde eh ohne Probleme tagelang aus dem Weg gehen und den anderen nur aus irgendeiner anderen Himmelsrichtung leise rumpeln, stolpern, fluchen oder niesen hören.
Heute stand überall in den Zeitungen, dass Lady Di und Prince Charles einen Sohn bekommen hatten. Am längsten Tag des Jahres, am 21 . Juni 1982, wurde William Arthur Philip Louis Mountbatten-Windsor im St. Mary’s Hospital in Paddington, London, gebore n – kaum eine Zeitung ließ es sich entgehen, den Namen des Sprösslings in voller Länge abzudrucken. Im Fernsehen sah man euphorisch jubelnde Menschen in Großbritannien, weinend vor Freude, schreiend vor Glück und mit Bierflaschen winkend. Man konnte glauben, ihnen wäre der Messias erschienen, das Königreich hätte seine Kolonien wieder, oder zumindest hätte England die WM gewonnen. Die Geburt von Prince William, wie auch im letzten Jahr in noch stärkerem Maße die Hochzeit von Lady Di und Prince Charles, schien vieles kompensieren zu müssen. In diesem Jahr hatte es das Mutterland des Fußballs wieder einmal nicht ins Halbfinale geschafft.
Falk schüttelte den Kopf: » Poor William Arthur Philip Louis Mountfatbutt-Windsor, you’re gonna have a hard life with all these goddam stupid fellas in your country! « Später sollte er in England studieren und sich dort sehr wohl fühle n – und wir bekamen immer 3-D-Könighaus-Postkarten von ihm geschickt.
Der Hauser und sein Motorrad waren länger fort. In welchem Land er wohl gerade war?
Auf dem Weg zur Schule erzählte ich Fiona und Isa von einer Fernsehsendung über die Galapagos-Inseln, die ich kürzlich gesehen hatte. Hoffentlich gelang es mir, sie ein bisschen mit meinem Fernweh anzustecken. Aber sie reagierten nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte.
»Ein Flug dahin ist verdammt teuer«, gab Isa gleich zu bedenken. »Die Nordsee tuts doch auch.« Immer dieses Vernunftdenken.
»Da will ich nicht hin. So große Echsen finde ich eklig«, sagte Fiona, wobei ihr Gesicht, als sie das Wort »eklig« aussprach, alle möglichen Gefühle widerspiegelte. Eigentlich sah sie eher traurig dabei au s – nicht so, als ob sie etwas verabscheuen würde.
Auf dem Rückweg von der Schule lief ich die Lietze entlang und sah Herrn Adán, der mir aus der Apotheke zuwinkte. Ich trat ein. Heute war es voll. Hinter mir hörte ich, wie Pechs lebhaft über Hustensaft diskutierten. Sie schienen beide Spezialisten auf diesem Gebiet zu sein. Zur Bestätigung meines Eindrucks husteten mir beide noch mal kräftig ins Ohr. Waldemar rieb sein Bein an meinem. Vor mir stand die Mutter von Serife und Filiz, die wieder »Ohropax gegen schnarchende Mann« haben wollte. Vor einem Regal stand der Olk und fummelte an Kondompackungen herum.
Endlich kam ich dran. Hinter mir wurde gebellt und gedrängelt. Hastig gab ich ein Rezept von Wiebke ab, irgendeine Hautcreme. Damals gab es noch fast alles »auf Rezept«. Schnupfenmittel, Mittel gegen Blasenkatarrh, gegen Ohrenschmerzen, Husten, Halsweh oder eben Hautproblem e . Herr Adán eilte in den hinteren Raum, in dem hohe Medikamentenschränke und Regale standen. Nur Herrn Olks Verhütungsmittel, mit Noppen, gab es nicht »auf Rezept«. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Olk eine Packung Kräuterbonbons über die Kondompackung legte, damit niemand sah, was er eigentlich kaufen wollt e – als gäbe es irgendeinen »Ruf« bei den Pechs oder mir zu ruinieren. Aber vielleicht sollten die Noppenkondome ja auch nur in die Urbane Collage integriert werden.
Herr Adán gab mir das Wechselgeld. »Wenn Sie das nächste Mal kommen, zeige ich Ihnen etwas ganz Besonderes«, flüsterte er mir dann noch seltsam vertraulich ins Ohr.
Klaus war aus Kassel zurückgekehrt und bestens gelaunt; die Kunstschau hatte auf ihn wie eine Pilgerfahrt gewirkt. Als wir mit dem Abendessen begannen, klingelte es an der Tür. Klaus erhob sich seufzend vom Tisch und kam nach einigen Minuten genervt zurück. »Wieder so eine Analphabetin, die die Klingelschilder von Zürn und Hauser verwechselt hat. Ihr werdet’s übrigens nicht glauben, den Kerl habe ich im Zug nach Kassel getroffen.«
»Was, den Hauser? Auf
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