Hausers Zimmer - Roman
Schicksal so eng mit dem der Stadt verbunden zu sein schien: Das Nilpferd war eines von nur 91 Tieren, die die Bombenangriffe überlebt hatten. Fast zehntausend Tiere kamen um. Und dass Knautschke noch so klein gewesen war, entzückte natürlich umso mehr. Später hatte er das Gewicht von vier Kleinwagen, erfreute sich aber ungebrochener Sympathie.
Am Abend kamen einige Freunde, aber bevor man gemeinsam anstieß und Wiebke ihre Geschenke öffnete, saß man in großer Runde vor dem rauschenden Schwarzweiß-Fernseher, um keine Sommerlochmeldung in der Tagesschau zu verpassen. Als Topmeldung wurde bekanntgegeben, dass Bundespräsident Carstens in die Schweiz gereist sei. Klaus verfiel augenblicklich in sein Carstens-Gesicht.
»Ob er da am Ende wandert?«, stichelte Wiebke.
Und Falk stieß Klaus in die Seite: »So was Provinzielles aber auch.«
Ich ging in mein Zimmer und schaute zum Hauser rüber. Der lag mit nacktem Oberkörper auf dem Bett und guckte fern. Mit meinem Minifernglas konnte ich erkennen, was er sah: einen Kriegsfilm, der irgendwo in der Wüste spielte. Ich guckte eine Weile lang mit. Für die Gräueltaten hatte sich das Filmteam malerische Schauplätze ausgesucht. Dann ging Hoy no me puedo levantar los. Der Hauser riss ein Fenster auf und sang mit.
»Na, du Höhlenbewohnerin?« Falk stand hinter mir. Er ließ sich auf mein Matratzenlager fallen und zündete eine Kerze an, die ich auf eine Weinflasche von Klaus gepfropft hatte. Mein Teeservic e – hellbraune Emailletässchen mit dunkelbrauner Baumsilhouette und entsprechendem Kännchen, schob er mit den Füßen von der Matratze, um sich Platz zu verschaffen. Während ich noch staunte, dass sich mein großer Bruder zu mir herabließ, sagte Falk: »Ich lese dir mal aus meiner Kleinen Philosophie der Selbstgedrehten vor.«
Bevor er sein Heft aufschlug, drehte er sich noch eine.
Vom Hof her hörte ich den Hauser laut singen. »Falk, er spricht wirklich gut Spanisch!«
Mein Bruder schüttelte nur den Kopf. »Du steigerst dich da in was rein, Jul e … Also, erstes Kapitel: Die Kunst, auf dem Boden zu bleiben und gleichzeitig abzuheben.«
Umzug – Wir sind Kinder einer Erde
Heute kam der Umzugswagen und nahm Isa und ihre Mutter mit. Ich war früh aufgestanden, da ich überhaupt nicht schlafen konnte (auch dröhnte die halbe Nacht aus dem Mottenmuseum Don’t walk away von The Four Tops ), und hing schon seit zwei Stunden bei Hülsenbecks herum. Während die Umzugshelfer eine Kiste nach der anderen aus der Wohnung trugen und unseren Bürgersteig mit Türmen von braunen Kartons vollstellten, standen Isa und ich auf dem Balkon und machten letzte Fotos. Am Ende weinten wir. Klaus kam noch vorbei und half den Hülsenbecks, einige Gemälde fachmännisch zu verpacken. Am Ende gab es Hoffnung, dass Isa hierbleiben würde, denn Frau Hülsenbecks Kleiderschrank wollte nicht in den Umzugswagen passen. Aber als die Helfer einige Möbel umstellten, passte das widerwärtige Ding doch. Ich hätte Klaus überreden sollen, Isa etwas besonders Raumgreifendes aus dem plastischen Werk vom Olk abzukaufen und mitzugeben.
Herr Hülsenbeck war auch dabei. Da er nicht sehr kräftig war, suchte er sich zum Transport immer möglichst leichte Dinge aus, vorzugsweise Pflanzen. Seltsamerweise hielt er sie immer nah vor sein Gesicht. Als ich ihm einmal auf der Treppe entgegenkam, sah ich, dass er weinte. Auch mir würden die merkwürdigen Geschichten aus Berlins Gefängnissen und das Pfirsicheis irgendwie fehlen.
An einem der nächsten Tage nahm Anna Fiona und mich »zur Ablenkung« mit ins Grips -Theater. Falk kam spontan auch mit. Wir drei quetschten uns auf die Rückbank von Annas Käfer, was Falk sichtlich Unbehagen bereitete. Mit ein paar » The crocodile is coming «-Attacken versuchte er, sich Platz zu verschaffen, aber Fiona erinnerte ihn mit sanfter Stimme daran, dass wir Mädchen ihn nur dulden würden, wenn er sich zu benehmen wüsste. Anna wurde von einem Mann begleitet, der uns nur als »Uli« vorgestellt wurde. Ich wusste nicht, ob er ihr neuer Freund war oder nicht. So wie er sie anschaute, vermutlich schon. Wolf hatte ich seit der Grand-Prix-Übertragung nicht mehr gesehen. Anna trug einen himmelblauen Hosenanzug mit goldener Fransenborte an Hosenbeinen und Ärmeln, dazu Perlmutthalbmonde als Ohrringe und Stöckelschuh e – ein Aufzug, der fürs Grips nicht nötig gewesen wäre. Uli sah dem Ekel nicht unähnlich; mit seinen langen braunen Locken und dem lila
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