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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Stirnband sah er auch wie ein Westcoast-Gitarrist aus. Seinen weitschweifigen Reden nach zu urteilen, hielt er sich für einen Theaterkenner.
    Im Auto sprachen Fiona und ich darüber, welches Grips -Stück uns bisher am besten gefallen hatte. Fiona mochte Max und Milli am liebsten. Falk, der sich erstaunlicherweise an unserem Gespräch beteiligte, war für Stärker als Superman , die Geschichte eines behinderten Jungen. Falk hatte das Stück so gut gefallen, dass er zweimal im Nieselregen allein ins Grips geradelt war. Ein Angebot von Wiebke, mit ihr gemeinsam im Auto zum Grips zu fahren, hatte er abgelehnt. Er wollte allein ins Theater. Ohne anschließendes Gespräch mit Wiebke über das Stück.
    Ich ging gern ins Grips -Theater, allerdings nur, wenn ich mit Anna mitfahren durfte, nicht mit Wiebke und Klaus. Denn dann nutzten sie schamlos aus, dass das Grips -Theater in der Nähe der Akademie der Künste lag, und schleppten uns vorher noch in ein oder am besten gleich mehrere Ausstellungen. Danach war man zu müde fürs Grips.
    Und nun sollte die Theaterkunst uns über den Wegzug unserer Freundin hinwegtrösten. In dem Stück Ein Fest bei Papadakis ging es um Gastarbeiterkinder in der Schule. Das Stück war schön, und Fiona und Anna wirkten glücklich, als sie das Schlusslied Wir sind Kinder einer Erde mitsangen. Die beiden kannten es, das Stück lief schon seit 1973. Bei Fiona schien das Ablenkungsprogramm gegriffen zu haben. Aber ich wurde noch trauriger, weil Isa und ich uns in genau solch einem Moment ein kleines ironisches Lächeln geschenkt hätten. Und jetzt, wo Uli und Anna sich am Schluss von Wir sind Kinder einer Erde lange anschauten und dann küssten, erst recht.
    Eine Woche war vergangen, seitdem Isa fortgezogen war. Und ich hatte noch nichts von ihr gehört. Fiona zeigte mir einmal mittags nach der Schule nach dem üblichen Briefeschreiben ein neues Bild, das sie in ihrer Therapie gemalt hatte: Es zeigte drei Mädchen, von denen eines wild durchgestrichen war. Ich gab mich unbeeindruckt. »Das könnte ich auch.«
    Fiona kicherte. Dann begann sie zu flüstern: »Mal ganz ehrlich: Ich habe das gemalt, damit die Therapie fortgesetzt wird. Ich hatte schon so viele Vöge l – und, weißt du, ich kann Anna gar nicht malen. Wenn ich wirklich versuchen würde, sie zu malen, müsste ich ein weißes Blatt Papier abgeben oder ein ganz zugekritzteltes. Ein von oben bis unten zugekritzeltes Blatt, verstehst du?«
    Ich nickte und zeigte in den metallfarbenen Himmel. Fiona lehnte ihren Kopf an meine Schulter.

Narbenland – Hände
    Die Zeit verging unglaublich langsam. Oft lag ich auf meinem Matratzenlager und erwartete jeden Moment Isas Stakkatoklingeln an unserer Tür.
    Bei meinem ersten Telefonat mit Isa machte sie keinen glücklichen Eindruck auf mich. Die Renovierung in der neuen Wohnung sei nicht rechtzeitig abgeschlossen worden, es stinke nach Lack, und die Nachbarn seien super lärmempfindlich, erzählte sie. Kamen in der ersten Woche gleich zweimal hoch wegen Ideal und Extrabreit . Die Schule hatte noch nicht angefangen, aber sie fürchtete sich vor den neuen Mitschülern, vor allem vor den Mitschülerinnen. Und im Bus konnte man nicht schwarzfahren, weil die Fahrer Adleraugen hatten und es ihnen nicht piepegal war, ob jemand umsonst mitgenommen wurde oder nicht. Anderer Planet, dieses Düsseldorf.
    Eigentlich wollte ich Isa längst von meiner missglückten Nacht mit Steffen berichten. Hätte ich ihr gegenüber gesessen, wäre es mir leichter gefallen, davon zu erzählen. Stattdessen erwähnte ich die im nächsten Jahr bevorstehende Pensionierung von Herrn Knecht. »Bis dahin besteht ja noch die Hoffnung, dass er unsere Schule in die Luft sprengt, blind, wie er ist«, überlegte ich laut. Isa tat so, als ob sie die Vorstellung rasend komisch fände, dass Herr Knecht uns alle in die Luft jagen würde. Wir lachten zu laut und zu lange. Als sie aufgelegt hatte, hielt ich noch lange den Telefonhörer an mein Ohr und lauschte ins Nichts.
    Nach unserem Gespräch ging ich ins Rattenloch, um auf andere Gedanken zu kommen. Heute herrschte Hochbetrieb dort: Ich traf den Hauser, Herrn Kanz, Herrn Olk (in einigem Abstand zu Herrn Kanz), Serife und Fili z – und Klaus. Der eine suchte sich seinen Hausrat zusammen (der Hauser hob glücklich eine Fernsehantenne über seinen Kopf), der zweite fand Werkzeug (Herr Kanz hielt einen alten Hammer abwägend in der Hand), der dritte machte aus den gleichen Dingen Kunst (Herr

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