Hausers Zimmer - Roman
Unrat und Unkraut versinkenden Bilder.
»So, Schluss damit, nie wieder!«, rief er noch. Dann rieb er sich die Hände, und er und sein Kumpel traten den Rückweg an.
Am nächsten Tag wurde in der Sendung mit der Maus der Beruf des Müllmanns, kurz: die Müllabfuhr, vorgestellt. Ich war ein anderer Mensch, als ich mich vom Fernseher wegschlich. Ich hatte Respekt vor allen Olks dieser Welt. Die Beschäftigung mit Müll war eine sehr ehrenwerte Tätigkeit.
Nach dem heutigen Kunstwerkeabstauben legt Klaus Falk und mir zum Dank wieder je eine Tafel Ritter Sport auf unseren Platz im Esszimmer. Falk bekam eine rote, ich eine grüne Tafel. Sicherlich hatte er sich etwas dabei gedacht. Sich selbst kredenzte Klaus eine silberne Packung. Ich sah an dem Leuchten in seinen Augen, dass ihm diese Tafel außerordentlich gut gefiel. Falk und ich freuten uns über die Geschenke und rissen gleich unsere Tafeln auf. Wiebke schüttelte den Kopf: »Klau s – hätte nicht eine Tafel für alle gereicht? Und warum überhaupt Schokolad e … da muss man sie doch nicht noch zu animieren.«
Sie. Ich mochte es nicht, wenn Wiebke in Falks und meiner Gegenwart von uns in der dritten Person sprach. Sie meinte es nicht einmal böse, es war nur eine Angewohnheit. »Sag Jule, sie soll noch die Balkonpflanzen gießen « – wenn ich neben ihr saß.
Klaus ignorierte Wiebkes Einwurf und betrachtete die Tafel versonnen. Dann sprach er über die Schönheit der Packung. Das silberne Quadrat sei für ihn eine Art Ikone des Konsumismu s … eine Kreuzung aus serieller Kunst und puristischer Überhöhung, aus Profanität und Erhabenheit, Warhol und Malewitsch, westlich und östlic h … Mein Vater könnte einen Wälzer über eine Tafel Schokolade schreiben. Immerhin wusste man vorher nie, was er zu einem Auto, einer Glasscherbe, einer Multivitamintablette oder einer Tafel Schokolade zu sagen hatte. Im Zweifelsfall mehr als die meisten anderen Leute.
Später ging ich mit Wiebke und Klaus in Doktor Faustus auf dem Ku’damm. Meine Eltern starrten gebannt auf die Leinwand, und hin und wieder tuschelten sie lebhaft miteinander, aber ich konnte mich nicht auf Adrian Leverkühns Pakt mit dem Teufel konzentrieren. Als ich in der Dunkelheit mit einer Hand über das Bündchen meines Pullovers strich, erschrak ich, weil ich für einen Moment das Gefühl hatte, wieder über die Narben von Herrn Adán zu streichen.
Nachts sah ich, wie der Hauser die Bilder vom Rattenloch in seinem Zimmer an die Wand mit der Hawaiitapete stellte. Die Bilder waren in Dunkelgrün und Schwarz gehalten und gefielen mir gar nicht. Ich ärgerte mich, dass ich jetzt nicht mehr den Strand mit dem Motorradpärchen, sondern nur noch den hawaiianischen Himmel sehen konnte.
Der Hauser schien etwas zu suchen. Er kroch auf allen Vieren auf dem Boden herum, guckte unters Bett, dann ging er aus dem Zimmer. Schließlich kam er mit, wie es ausah, einem Farbtopf zurück, stellte sich vor die Bilder und begann die Leinwände weiß zu streichen.
Was sollte das alles? Say captain say wot say captain say watcha want wehte mich von irgendwoher an. Ich legte mein Minifernglas zur Seite, ging zurück in mein Bett und zog mir die Decke über den Kopf.
An einem der nächsten Tage wollte ich gerade mein Rad im Hof abstellen, als mir der Hauser wieder mit einer Leinwand entgegenkam. Sie war ebenfalls in tristem Dunkelgrün und Schwarz gehalten, ein grünes Dreieck stand vor schwarzem Grund. Das hätte bei uns im Bad hängen können, aber doch nicht vor dem hawaiianischen Abendhimmel!
Ich bahnte mir mit meinem Rad den Weg durch den Hof. Als ich zurück durch die Hofdurchfahrt lief, zuckte ich zusammen: Vor den Briefkästen, halb verdeckt von der an die Wand gelehnten Leinwand, stand der Hauser und pinkelte. Gelbe Rinnsale flossen bis auf den Boden. Er tat so, als bemerkte er mich nicht.
Ich nickte und sagte leise: »Hallo.« Keine Reaktion. Ich trottete die Treppen hoch zu meinen Eltern.
Oben war das Abendbrot schon fertig. Klaus war sehr übellaunig. Er wütete über peinliche Druckfehler in seinem letzten Artikel und schimpfte, wie schlampig manche Leute doch seien, kürzlich habe er in einem Kiosk einen Spiegel ausgehändigt bekommen, der halb mit Kaffee bekleckert gewesen sei, da habe er dann aber sofort einen anderen verlangt, und in der U-Bahn habe letztens sogar jemand mal gepisst, also Anarchie für jede n – von dem Trip sei er schon seit Jahren runter.
Warum musste ich es bloß aussprechen. Ob
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