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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Würde mir diesmal etwas einfallen, um ein Gespräch zu beginnen? Vielleicht etwas Ungewöhnliches?
    Ich wurde mit jedem Schritt in seine Richtung aufgeregter. Jetzt sah er mich und brummte ein desinteressiertes »Tac h …«
    Dieses Mal gab ich mich nicht damit zufrieden. Sollte ich ihn fragen, ob er schon mal in Südamerika gewesen war? Oder etwas ganz anderes?
    »Kenne n … kennen Sie eigentlich die Geschichte vom Kaspar Hauser?«, fragte ich. Im nächsten Moment ärgerte ich mich über mich. Welche Rolle spielte das schon, und wo sollte das hinführen? Und dass der Hauser mit der Rückfrage antworten würde, ob ich denn Unica Zürn kannt e – die Schriftstellerin und Graphikerin, die einen Haufen merkwürdig-schöner Anagrammgedichte verfasst hatt e –, war nicht zu erwarten.
    Der Hauser starrte mich an. »Den Hauser, den Hause r …«, grölte er, »natürlich kenn’ ich den Hauser!« Er hatte eine starke Bierfahne. »Hier ist der Hauser!« Er trommelte sich auf die Brust und lachte. »Was glotzte denn so, Kleene?«
    »Schon gut, ich wollte Sie nicht stören«, sagte ich artig und ärgerte mich im nächsten Moment wieder furchtbar über mich. Musste ich wie eine Klosterschülerin reden? Wo blieb meine Schlagfertigkeit? Melanie hatte ich es doch auch gezeigt.
    »Den Hauser gibt es nur einmal«, sagte ich schließlich, wobei ich versuchte, ihm keck in die Augen zu schauen. Ein Witz war das nicht gerade.
    Da sah mich der Hauser mit listigem Blick an. Ein Grinsen huschte über sein gerötetes Gesicht. Seine Fahne roch noch nach etwas anderem als Bier. Whisky vielleicht. »Ick bin ooch so’n armet Waisenkind, so’n vakappta Prin z … eijentlic h … eijentlich « – er guckte hoch in den grauen, verschlossenen Himmel, der sich sichtlich weigerte, ihm auch nur die Andeutung eines Zeichens zu schicke n – »bin ick doch ooch wat Bessere t …«
    Der Himmel zog sich sofort weiter zu. »Bin ick doch ooch wat Besseret!«, rief der Hauser inbrünstig und schüttelte seine Fäuste nach oben. Der Himmel wurde augenblicklich noch dunkler.
    Seufzend richtete der Hauser seinen Blick auf seine dreckigen Motorradstiefel und zuckte mit den Achseln: »Denk ick mir so.«
    Einen Moment herrschte Stille. Ich überlegte krampfhaft, was ich sagen könnte. »Also, äh, der Kaspar Hauser damal s …«, fing ich an.
    Da unterbrach mich der Hauser und erlöste mich von meinem Elend. Er hatte offenbar in Sekundenschnelle wieder neue Kräfte getankt und röhrte los: »Bin mitten inner Wildnis von Buckow aufjewachsen, Betonwüste pur, weeßte, abe r … dit Leben is ja noch nich vorbei!«
    Er strahlte mich mit unverwüstlichem Optimismus an: »Dit wär doch jelacht! Kiek ma’, ick fing an mit’m alten Roller, dann dit alte Klappading da. Und dan n … dann die rote Maschine, schon büschen wat Besseret, und diesen Sommer dann ’ne Harley!«
    Ich nickte anerkennend ob dieses beeindruckenden gesellschaftlichen Aufstiegs.
    »Und meene Uhr hier«, der Hauser wurde richtig gesprächig. »Kiek ma’, letztet Jahr hatte ick noch eene, die nie jing. Dann ’ne Fälschung. Und jetz t … ’ne echte falsche Rolex!« Er grölte.
    Ich verstand gar nichts mehr. »Is di e … nun echt oder nicht?«, fragte ich verwirrt.
    Der Hauser lacht e – wie mir schien, über mich. »Na, die letztet Jahr war ’ne Fälschung, aus Schina. Hat jeda akannt. Aber die hier, die is aus Brasiljen!« Er guckte mich an, als ob bei mir nun der Groschen fallen müsste. »Dit is ’ne janz edle Fälschung. ’ne Deluxefälschung, weeßte. Die kostet ooch schon büschen wat.« Er streichelte glücklich über das Ziffernblatt, hob seine Hand zum Abschiedsgruß und torkelte in Richtung Hinterhofaufgang. »Machs man jut, Rike Zorn.«
    »Rike Zorn?«
    »Na, die Countrysängerin aus Neuköll n – aus Buckow, um jenau zu sei n –, nie jehört? Is schon lange unta da Erde, aber echt ’ne Lejend e …«
    Kaum war ich oben in meinem Zimmer, verkroch ich mich mit meinem Hauser-Heft und hatte allerhand Neues einzutragen.
    Später ging ich noch allein ins Rattenloch. Ich nahm einen regennassen alten Atlas und eine zerkratzte Single von Bob Dylan mit, I Threw It All Away . Als ich wieder durch den Bretterzaun schlüpfen wollte, kamen mir zwei Männer mit strubbeligen Haaren und Lederjacken entgegen. Sie trugen mehrere große Leinwände und warfen sie auf die Wiese.
    »Damit habe ich abgeschlossen!«, rief der eine wütend und sah mit sichtlicher Befriedigung auf die in all dem

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