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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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ich meinen Vater provozieren oder dem Hauser mal eins auswischen wollte? Ich wusste nicht, was mich ritt, meine heimliche Beobachtung preiszugeben. »Der Hauser pisst vor die Briefkästen!« Im nächsten Moment bereute ich es schon.
    »Was?« Wiebke und Klaus horchten auf, die Gabeln blieben auf halbem Weg zu ihren Mündern in der Luft hängen.
    »Schon gut.«
    »Also, das ist ja das Letzte, vor der Freien Volksbühne hab ich den schon Wasser lassen sehen, aber hier bei uns im Hau s … Da muss mal was gesagt, da muss mal was unternommen werden!«
    Klaus regte sich sehr auf. Der ganze Typ Mann war ihm ein Gräuel. Klaus wollte nicht einmal Auto fahren, und der Hauser rannte den ganzen Tag in Motorradkluft herum. Klaus hasste Sport, und sein Nachbar lief bevorzugt mit nacktem Oberkörper heru m – strammer Bauch und Bizeps für jeden sichtbar.
    Das Abendbrotgespräch drehte sich nur noch um den Hauser und sein »asoziales Verhalten«.
    »Was regt ihr euch bloß so auf«, meinte Falk. » Naturalia non sunt turpia. «
    »Doch, doch, das ist sehr wohl eine turpia !«, gab Klaus wütend zurück.
    »Ist keine turpia «, das war wieder Falk.
    »Wovon redet ihr?« Wiebke war verwirrt.
    »Natürliches ist keine Schande«, gab Falk zurück.
    Aber Klaus saß mit rotem Kopf und gezücktem Stift da, um einen Brief an die Hausverwaltung und einen an die anderen Mieter zwecks Unterschriftensammlung aufzusetzen. Er sah furchtbar aus, wie er mit verkniffenem Mund sein Essen kalt werden ließ wegen der paar Tropfen Körperflüssigkeit. Ich bereute noch mehr, dass ich etwas gesagt hatte.
    Eine Woche später lag tatsächlich bei allen Mietern ein Brief von der Hausverwaltung im Kasten. Darin wurde der »ekelhafte Vorfall« nochmals wiedergegeben. Es wurden auch die Briefkästen aufgeführt, die ich gegenüber Klaus erwähnt hatte. Hatte er sich ja gut gemerkt. Zum Schluss des Briefes wurde jeder aufgefordert, in Zukunft »jedes hauswidriges Verhalten« (Stil! Frau Schwundtke!) sofort mitzuteilen, und gegebenenfalls werde die Hausverwaltung dann »juristisch einschreiten«. Der Hauser hatte eine Abmahnung erhalten; wenn sich »so etwas noch mal zuträgt«, konnte er mit einer Kündigung rechnen. Ich war wirklich geschockt über die weitreichenden Folgen meiner Bemerkung. Warum war ich bloß so blöde gewesen, Klaus alles zu erzählen? Ich wusste doch, dass er ein Pingel war und solche Geschichten überhaupt nicht lustig fand.
    Später folgte ich dem Geöffnet -Schild (vorsichtshalber mit einem Päckchen Kaugummi) und stakste in Falks verqualmtes Zimmer. Ich hörte meinen Bruder auf seinem Hochbett herumrumoren, vermutlich war er gerade dabei, sich ein neues Ordnungssystem für seine Platten zu überlege n – mit so etwas konnte er Tage verbringen. Ich krabbelte die wackelige Leiter hoch, aber Falk nahm keine Notiz von mir. Ich ließ mich neben ihn auf sein schwarzes Kissenlager unter dem merkwürdigen Poster mit dem schwarzen Quadrat plumpsen.
    Mein Bruder nahm mich immer noch nicht zur Kenntnis, auch nicht meine ausgestreckte Hand mit dem Kaugummi. Langsam ließ ich ihn wieder in die Hosentasche gleiten.
    Plötzlich hörte ich seinen Atem dicht hinter mir. War er nicht gerade an seinem Plattenspieler? » The crocodile is comin g … «
    Ich schüttelte den Kopf. Der Trick zog nicht mehr bei mir. Falk tat so, als würde ihn der Misserfolg nicht kümmern, er hing schon wieder über dem Plattenteller.
    »Dann lege ich mal Simon & Garfunkel auf, eine ganz softe Scheib e … für meine kleine Schwester.«
    Ich sagte nichts. Ich hatte nichts gegen Mrs. Robinson . Schnell genug würde schon wieder Joy Division losgehen.
    Mein Bruder holte sein Schachspiel hervor und begann unter einem gelangweilten Gähnen, die Figuren aufzustellen. »Darf ich dich einmal vom Feld fegen, Jule?« Falk wusste, dass ich gut spielte; der Spruch war ein typischer Versuch meines Bruders, meine Spielstärke psychologisch zu untergraben.
    Ich schwieg. Mir ging Herr Adán und das Schachspiel auf seinem Rücken durch den Kopf. Würde ich je wieder eine Partie Schach spielen können, ohne daran denken zu müssen? Diese Gedanken würden meine Spielstärke eher untergraben als jede provokante Bemerkung von Falk. Aber hatte Herr Adán nicht im Lochow den Leuten beim Schachspielen zugeschaut? Vielleicht stand für ihn das Eine ja nicht im Zusammenhang mit dem Anderen. Vielleicht wollte er sich nicht noch nachträglich das Leben von seinen Peinigern verderben lassen.
    »Ich

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