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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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tätschelte mir den Arm. Dann bedeutete sie mir, nicht zu sprechen. Klaus und sie lauschten andächtig einem Radiointerview mit Enzensberger.

Zauberpilze – Ich will nicht was ich seh
    Am nächsten Tag ging ich nicht zur Schule, sondern blieb bis zum Nachmittag unter der Decke liegen. Wiebke war beunruhigt und brachte mir Kamillentee mit Honig ans Bett. Ich konnte sie überreden, mir einen Riegel Schokolade zu gebe n – gegen das »Kratzen« im Hals. Ich hatte den Abend noch nicht verdaut. Wie es in Zukunft sein würde, das orangefarbene Zimmer von hier zu sehen? Die Hawaiitapete, die nur dafür da war, um nicht verreisen zu müssen. Die Galeristin bei ihm. Sein Motorrad, mit dem er über die Avus preschte, vielleicht zur so genannten Spinnerbrücke in Zehlendorf, auf der sich immer die Rocker trafen.
    Als es schon dämmerte, machte ich mich auf, um Falk diesmal allein im Krankenhaus zu besuchen. Er lag in einem Zimmer mit drei anderen jungen Männern, die gebannt auf einen von der Decke hängenden Bildschirm starrten. Auf seinem Nachttisch lagen verschiedene Schulbücher, ein Mathebuch war aufgeschlagen, er hatte sich einen Haufen wilder Notizen dazu gemacht.
    Falk sah blass aus, begrüßte mich aber herzlich. »Na, Kleine?«
    Ich hatte ihm eine Kassette aufgenommen, denn Wiebke und Klaus, die gestern bei ihm gewesen waren, hatten mir erzählt, dass er auch im Krankenhaus den ganzen Tag lang Walkman hörte. Vor wenigen Tagen war die neue LP von Siouxsie and the Banshees erschienen, A Kiss in the Dreamhouse , und Falk hörte im Krankenhaus stoisch von morgens bis abends Obsession . Ich war mir sicher, der Idee einer Therapie würde er nie zustimmen. Beim Durchlesen der Titel lachte er leise. » Byrds , Beatles , The Wiebkes and the Klause s – so richtige Entspannungsmusik für Kranke! Sehr softe Scheiben . «
    Ich widersprach nicht, wir mussten ja nicht gleich streiten. Falk erzählte mir Anekdoten von schusseligen Patienten und arroganten, weltfremden Ärzten. Es klang durch, dass er weder Ärzte noch Zimmergenossen darüber im Unklaren gelassen hatte, was er jeweils über sie dachte. Er schien höchst zufrieden damit, sich gleich Feinde gemacht zu haben, und wirkte entsprechend aufgeräumt.
    Dann packte er die Geschichte mit den Pilzen aus: Er habe die Dinger ausprobiert, weil er wissen wollte, wie er Schach spielen können würde, wenn »ein paar Synapsen bei mir anders geschaltet sind«, auch habe es ihn interessiert, wie viele Stellen nach dem Komma er vom Pi wiedergeben können würde, wenn sein Gehirn »anders ticken« würde, er habe sich aber mit der Dosis vertan. »Wiebke und Klaus regen sich total unnötig auf, ist das mein Problem?«
    Falk fuhr fort, dass er nun eine »Zauberpilzzucht« in seinem Zimmer starten wolle und hoffe, dass Wiebke und Klaus keine Einwände hätten. Da war ich mir aber nicht so sicher. Vorsichtig sprach ich Falk noch auf Elke an.
    Er verdrehte sofort die Augen: »Wusste ich’s doch, dass du nachfragen würdest!« Er schwieg und genoss es sichtlich, mich zappeln zu lassen.
    »Und?« Ich blickte meinen großen Bruder neugierig an.
    »Nichts ›und‹. Das ist mein Geheimnis.« Falk warf sich im Bett zurück und verschränkte die Hände vor der Brust. Er tat so, als ob er döse.
    »Ich habe auch ein Geheimnis!«, sagte ich entschlossen.
    Falk hob sofort die Augenbrauen. »Ein Männergeheimnis?«
    »Ja, eigentlich sogar mehrere.«
    Wir sahen uns stumm an. Dann richtete sich Falk auf und legte seine Hand auf meine. Und ich strich mit der anderen scheu über seine Schulter. Es bedurfte keiner weiteren Erläuterung, dass es weder ihm noch mir gutging.
    Als ich hinausging, rief Falk mir seufzend ein Tempus fugit amor manet hinterher.
    Zu Hause bekam ich einen für The Wiebkes and the Klauses typischen Streit mit. Sie gaben sich gegenseitig die Schuld, irgendeine Zeitschrift in den ewigen Jagdgründen ihrer überladenen Regale verbummelt zu haben. Seitdem sie den dritten Todestag von John Lennon gemeinsam verarbeitet hatten, verstanden sie sich wieder schlechter. Ich wünschte, David Bowie würde morgen unter die Räder kommen.
    Nach drei Tagen durfte Falk das Urban-Krankenhaus verlassen. Wiebke und Klaus holten ihn gemeinsam mit unserem Auto ab, zu Hause hatte Wiebke extra für ihn ein besonders gesundes Essen zubereitet: Gemüseauflauf und Rohkostsalat. Obendrauf jede Menge Kräuter. Kaum hatten wir uns an den Tisch gesetzt, schnitt Falk das Thema Zauberpilzzucht an.
    Klaus fiel

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