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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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hier ja alles! Kein Wunder, machte ich mir klar, die Wohnung vom Hauser lag viel tiefer als unsere.
    Der Hauser bot mir Chipsletten an. Sie schmeckten genau so wie andere Chips. Ich würde Wiebke nicht mehr damit nerven, Chipsletten zu kaufen. Dann starrte ich auf den Bildschirm. Travis beobachtete eine Frau aus seinem Taxi, ohne sich ihr nähern zu können. Das Ganze wiederholte sich. Eines Tages gab er sich einen Ruck und stand vor ihr. Sprach mit ihr. Lächelte sie an. Die blonde Frau lächelte den unsicheren Taxifahrer an, sie blickten sich an, verabredeten sich.
    Vom Hof her hörte ich ein Schnaufen und ein Klappern; jemand ging zum Keller, vermutlich, um Kohlen zu holen. Ich hörte, wie die Metalleimer beim Gehen aneinander stießen. Dann hörte ich das Schnaufen wieder, und wusste, dass es Herr Kanz war. Er schob seine Brüste so oft um, dass einem sein Schnaufen sehr vertraut war. Niemand trug so viele Kohlen auf einmal aus dem Keller wie er.
    Ich versuchte mich auf den Film zu konzentrieren. Ein Mädchen, das aussah wie ein Kind, stieg mitten in der Nacht in ein Taxi. Es gab eine wilde Szene mit einem Zuhälter. Das Mädchen war, auch wenn sie jünger aussah als ich, eine Prostituierte. Das nahm alles bestimmt ein böses Ende. Ich schaute zur hawaiianischen Palmenlandschaft, doch mein Blick blieb auf der Blümchentapete hängen. Und dann guckte ich doch wieder in den Hof: Oben in unserer Küche sah ich Wiebke und Klaus.
    Von einem Moment auf den anderen ergoss sich ein Platzregen in unseren schmalen Hof, es blitzte und donnerte, einmal leuchteten die Brüste gespenstisch hell auf, dann krachte es irgendwo im Hof. Der Hauser drehte sich auch um. Ein umgedrehter Gynäkologenstuhl, den der Olk kürzlich angeschleppt hatte, schwankte hin und und her, dann stürzte er mit dem darauf montierten Puppenhaufen auf den Boden. Schon rannte der Olk, groß und hager wie er war, unter einem schwarzen Regencape in den Hof; ich hörte ihn fluchen und lamentieren.
    Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Travis’ Taxi mittlerweile als fahrendes Bordell benutzt wurde. Merkwürdige Dinge geschahen, ein Mann erzählte unverhohlen auf dem Rücksitz, wie er seine fremdgehende Frau mit einer 44er Magnum abzuknallen gedachte. Ich hätte mich doch besser für Magical Mystery Tour entscheiden solle n …
    »Willste doch wat andret sehen?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Na, woll’n wa lieba Dit Leben des Brian kieken?«
    Ich nickte, obwohl ich auf Klamauk keine Lust hatte und den Film schon kannte. Kein Film würde passen, wusste ich. Aber vielleicht konnte Das Leben des Brian mich für einen Moment aufheitern. Der Blödsinn perlte zunächst von mir ab, dann musste ich doch wieder an der Stelle lachen, wo Brian nackt am Fenster stehend seinen selbst ernannten Jüngern zuruft: »Ihr seid doch alle Individuen!« Brav tönt es im Chor zurück: »Ja, wir sind alle Individuen. « – »Und ihr seid alle völlig verschieden. « – »Ja, wir sind alle völlig verschieden.« Brian-Jesus schaut verzweifelt, da piepst es aus der hintersten Reihe: »Ich nicht!«
    Der Hauser stellte den Fernseher lauter. Prompt ging über uns die gottverdammte Polonäse Blankenese los. Der Hauser sang den Refrain mit. Ich saß vor dem Abendrot und den Palmenwedel n – mit dem Hause r – und musste mir nun auch noch von ihm die Polonäse anhören. Oben in meinem Zimmer könnte ich in meinem Atlas blättern oder mit Fiona Tee trinken und reden. Das Gewitter hatte aufgehört. In meinem Fenster spiegelte sich die untergehende Sonne. Es war ein Rosarot, ein warmes Licht.
    »Na, wat meenste, wie oft ick ditte schon jehört hab in dies’m Jahr. Und im Radio is dit ja ooch dauernd.«
    Der Hauser wirkte nicht entnervt, eher belustigt. Ich schwieg eine Weile, dann gab ich mir einen Ruck und wagte zu fragen, was mich seit Langem beschäftigte: »Und, machst du weite Reisen mit deinem Motorrad?«
    »Wat, icke?«
    »Warst du ma l … in Südamerika, in Argentinien, Patagonien?«
    »Wie? Wat? Pateg, Pato g … dit is Italien, nich? Süditalien so, nich? Wie kommst’n darauf? Nee, nee, dit is mir viel zu weit.«
    »Und in Hawaii oder so warst du nie? Ich meine, deine Tapet e …«
    »Biste varrückt? Ick hab Flugangst, ehrlich. Fuffzehn Stun’nen in so’ne Röhre sitzen, dit wär nüscht für mich. Ick bin’n janz mobila Typ, kann nich stillsitz’n. Vier Stunden nach’n Kanaren is schon echt hart für mich. Dit mach ick so schnell nich wieda. Nee, nee, die Tapete

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