Hausers Zimmer - Roman
Müll immer neben die Tonnen, so dass die Ratten sich vermehren wi e … wi e … na ja, ä h … wie die Ratten eben, aber Falschparker zeigt er an.« Isa schüttelte den Kopf.
Ich beobachtete den hageren Rentner, der sich gerade vor das Nummernschild eines bunt bemalten, schäbigen Volvos bückte, um festzustellen, ob die TÜV -Plakette nicht schon abgelaufen war.
Fiona fing an zu kichern. Sofort guckten Isa und ich zum Glitzervorhang der Peepshow, der sich bunt und scheinbar voller Leben im Wind bewegte. Ein dickes Männchen hatte sich in den Bändern verheddert, es fuchtelte mit hochrotem Kopf herum. Ein Band war hinter seine Brillengläser geraten, die Brille hing schief über sein Gesicht und drohte herunterzufallen. Eine der athletischen jungen Frauen aus dem Eingangsbereich eilte ihm zur Hilfe. Mit gespielt großzügiger Geste und nicht ohne zu lachen befreite sie den Zwerg aus seiner misslichen Lage.
Nach ihm trat ein junger Mann in Jeansanzug auf die Straße. Er sah so gut aus, dass wir einen Moment lang stehen blieben. Er hatte dunkle Augen, einen dunklen Teint und eine Adlernase. Seine Hose saß eng, er war schlank und gut gebaut. Wir kicherten unsicher vor uns hin. Der Eingang zur Peepshow war ein merkwürdiger Ort: Mal wurden die Männer, die aus ihm hinaustraten, rot, mal wir, die wir vor ihnen standen.
»Dass so ein Typ das nötig hat«, raunte Fiona. Das Gleiche hatte ich mich auch gefragt.
»Ob ein Mann, der gerade aus der Peepshow kommt, noch an Sex denkt?«, warf ich in die Runde.
»Klar, die haben dann noch lauter Hormone im Blut!«, behauptete Isa.
»Nee, die sind dann ja schon runtergekommen«, meinte Fiona.
Isa stieß mich in die Seite. »Guck mal, wer da ist!«
Ich blickte mich um und entdeckte meinen Vater, der eben zu Hause noch vorgegeben hatte, wegen einer Kunstkritik »total unter Druck« zu sein. Klaus stand zwei Meter von der Peepshow entfernt vor einer Boutique und guckte sich Krawatten und Schals an. Die Männer, die gerade aus der Peepshow kamen, machten das öfter: Kaum hatten sie den Flattervorhang hinter sich gelassen, bauten sie sich vor dieser Boutique auf und legten ein fulminantes Interesse für hässliche Krawatten an den Tag.
Klaus nahm die drei Stufen hoch zur Boutique, drückte die Tür au f – und verschwand. Mist. Wir mussten den Bus um 7.3 5 Uhr erwischen; ich konnte nicht warten, bis er wiederkam. Ob er wohl eben in der Peepshow gewesen war? Das wäre unfassba r – zu Hause bezeichnete er so etwas nämlich als Spießerparadies. Wenn Wiebke das wüsste! Aber vielleicht shoppte Klaus nur heimlich? Ich dachte daran, wie verächtlich Wiebke letztens das Wort »Flanieren« ausgesprochen hatte. Und die Bleibtreustraße war auch nicht weit von hier.
Fiona zupfte mich am Parka. »Wir verpassen den Bus.«
Nach der Schule lümmelte ich eine Weile im Hinterhaus herum. Einmal schaute ich beim Hauser durchs Schlüsselloch: Platten und Zeitschriften lagen auf dem Flurboden herum, die rote Lederjacke fehlte. Er war offenbar noch bei der Polizei. Was da wohl mit ihm passierte? Vorsichtig hielt ich mein Butterbrotpapier an das bombastische Messingschild (»Was für ein Hochstapler!«, so Frau Hülsenbeck), auf dem in schnörkeliger Schrift »Peter Hauser« stand, und pauste den Namen ab. Dann schrieb ich meinen Namen dazu. Julika Zürn. Nur so.
Nachts sah ich den Hauser wieder auf seinem Bett liegen und Chips essen. Dazu trank er Bier. Wenn ich die Augen zusammenkniff, konnte ich mir einbilden, dass die Palmenblätter sich bewegten. Von irgendwoher erklang: Monotoni e … Monotonie in der Südsee, Campari auf Tahiti, Bitter Lemon auf Hawai i …
Ein paar Tage später wurde Bundespräsident Carstens in der Tagesschau gezeigt, wie er mit einer Gefolgschaft von mehreren tausend Leuten in einem Waldgebiet zwischen Hattingen und Essen umherlief. Seit seinem Amtsbeginn vor drei Jahren hatte er Deutschland schon von der Ostsee bis zu den Alpen erwandert. Klaus schüttelte den Kopf. »Was für ein billiger Populismus.«
Wiebke murmelte nur: »Hat der bei seinem Job nicht was anderes zu tun?«
Falk: »Ich sag’s doch, die da oben lassen immer andere für sich arbeiten.«
Klaus: »Naja, für sich arbeite n … Du überarbeitest dich ja nun nicht gerade. Wer sitzt denn den ganzen Tag auf seinem Hochbett und hört Musik?«
Falk: »Bin ich Bundespräsident?«
Überall auf der Welt knallte es, die Stationierung der Pershing II war im Gespräch, in drei Monaten, im April,
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