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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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den Händen. Er bedeutete mir mit einem Wink, dass ich mich neben ihn stellen solle. Ich hob den Arm.
    »Biste Linkshänder?«, wollte er wissen.
    Ich nickte.
    »Hey, originell«, murmelte der Hauser. Ich fragte mich, was daran originell sein sollte. Dann versuchte ich, so gut ich konnte, zu zielen. Die Flasche schlug scheppernd gegen den Container und zersprang auf dem Boden. Erschrocken starrte ich auf den Scherbenhaufen. Der Hauser drückte mir gleich eine neue Flasche in die Hand. Wieder traf ich nicht. Er lachte und gab mir die nächste Flasche. Bei der vierten schaffte ich es, und er klopfte mir kurz auf die Schulter.
    Hinter meinem Rücken hörte ich ein vertrautes Geräusch, jemand trat näher und zog seinen Rotz hoch. Der Hauser sprach mir jetzt ins Ohr: »Dis deen Bruda, oda? Der Hüne mit so vafilzt e …«
    »Jaja.«
    Wenn Falk bloß mein Gespräch mit dem Hauser nicht störte! Aber die Schritte entfernten sich und das unverwechselbare Schnauben mit ihnen.
    »Und was machen wir damit?«, fragte ich und deutete auf die Scherben. Der Hauser zuckte bloß die Schultern. Dann stapfte er fort, ohne »Tschüss« oder »Bis zum nächsten Mal« zu sagen.
    Später, zu Hause, konnte Falk sich ein »ich habe dich vorhin beim Tête-à-tête mit dem Hauser gesehen« nicht verkneifen.
    Nach dem Abendbrot, das hauptsächlich aus Wiebkes Vortrag über die Vorteile des Kochens mit dem Römertopf bestand, verzog ich mich in mein Zimmer und guckte mir wieder einmal Patagonien in meinem Atlas an. Leise flüsterte ich die spanischen Namen von Bergen, Flüssen und Ortschaften vor mich hin. Vielleicht könnte ich ja nach dem Abi dort hingehen und seltene Pflanzen finden. Dann werde ich berühmt mit Foto s – Naturfotos, die Klaus langweilig finden wird. Ob der Hauser wohl mal im Süden Südamerikas gewesen ist?
    Nachts sah ich ihn mit der Frau, mit der er gestern in der Nacht so spät nach Hause gekommen war. Sie gingen lachend über unseren zugerümpelten Hof, und auf einmal setzte sie sich auf eine Brust vom Kanz und zog den Hauser an seiner Gürtelschnalle zu sich heran.
    Ein paar Minuten später ging das Licht in seinem Zimmer an. Dann standen sie beide vor der Hawaiitapete. Es sah aus, als würde das Motorrad ihnen gehören, sie verdeckten das Paar auf der Tapete. Dann legten sie sich an den Strand. Sie zog sich ein Kleidungsstück nach dem anderen aus, erst ein pinkfarbenes Sweatshirt mit Netzeinsatz, dann einen schwarzen B H … dann wurde es mit einem Schlag Nacht auf Hawaii.
    Ich starrte in die Berliner Finsternis. Bei Oma Helene sah man Sterne am Himmel, bei uns nicht.
    »Das liegt am Smog!«, meinte Wiebke.
    »Unsinn, das ist normal im Zentrum einer Großstadt, da gibt es zu viele Lichtquellen«, pflegte Klaus dann zu antworten.
    Ich ging in unsere Küche, rührte mir eine Waldmeisterbrause an. Ich befand mich auf einem Floß auf dem Río Grande.
    Nach einer Weile trat ich ans Fenster. Beim Hauser war wieder Licht an. Unter dem lustigen Spruch mit den Gummibärchen stand jetzt: Weg mit den Kondome n – Freiheit für das Sperma!
    Dieser Idiot. Wusste er, dass ich ihn beobachtete?
    Als ich im Bett lag, überlegte ich, dass ich trotz meines roten Buchs fast nichts über den Hauser wusste. Ich kannte nur all die Gerüchte von den Leuten aus dem Haus, geredet hatte ich kaum mit ihm.
    Auch in diesem Jahr hatte Klaus klare Vorstellungen davon, wie er seinen Geburtstag verbringen wollte, und zwar allein, ohne uns. Jahr für Jahr verschwand er an seinem Geburtstag und kam erst gegen Mitternacht wieder.
    Die Bescherung fand am nächsten Tag, nach seinem »Kurzurlaub«, statt. Er war dann meist sehr aufgeräumt, brachte Torte mit und schenkte uns allen etwas. Dann erzählte er uns auch, was er unternommen hatte. Einmal hatte Klaus seinen Geburtstag im Botanischen Garten verbracht. Ein anderes Mal hatte er mit einer Sondergenehmigung verschiedene alte Bunker in Berlin besichtigt.
    Als ich morgens aufstand, war Klaus schon verschwunden. Wiebke und Falk hockten müde am Frühstückstisch. Falk hatte in mehreren Etappen Kohle aus dem Keller nach oben geschleppt und pustete sich, während er Musik hörte, auf die Hände. Er hatte sie nicht gewaschen und hinterließ überall schwarze Abdrücke.
    Wiebke las in einem niederländischen Jugendbuch und schüttelte dabei immer wieder den Kopf. Erst als es sehr laut aus Falks Kopfhörern knarzte, hob sie ihr Kinn und sah ihn grimmig an.
    »Du Buch weg, ich Kopfhörer aus«, merkte Falk an,

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