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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Stummelbleistifte, Kastanien, getrocknete Blüten und steinharte Marzipanherzen gelegt hatte: Ich sah Fiona und Anna und das Ekel vor mir, wie sie gemeinsam in der Badewanne saßen, einer hinter dem anderen, nackt und braun und geradezu unverschämt fröhlich.
    Als wir anschließend ein Puzzle mit einem indischen Motiv legten, klingelte das Telefon. Anna eilte über den Flur. Einen Moment später steckte sie ihren Kopf durch die Tür und sah Fiona bedeutungsvoll an.
    »Das Ekel?« Fiona hob die Augenbrauen.
    Anna hielt den Zeigefinger auf ihre Lippen und nickte Fiona mit beschwörendem Blick zu. Während Fiona telefonierte, stand Anna einen Meter hinter ihr, scheinbar mit dem Abstauben von Büchern beschäftigt.
    Als Fiona aufgelegt hatte, packte sie große Wachsmalstifte und schönes, buntes, weiches Papier für ihre Therapie ein. »Ich freue mich schon auf gleic h … Frau Heidemann ist sowas von nett!«
    »Kann ich da nicht auch mal mitmachen?«, fragte ich.
    »Nee, du musst schon einen Grund haben.«
    »Ach, da fallen mir viele ein. Schlaflosigkeit. Schlechte Laune. Genervtheit von Mitschülern. Unspezifisches Merkwürdigsein.«
    »Weiß nicht, ob die Kasse da auch für zahlt«, antwortete Fiona ernsthaft.
    Wieder in unserer Wohnung traf ich Falk in der Küche. Er riss eine Schranktür auf, stellte eine Packung Knäckebrot und ein Glas Honig auf den Tisch. Na, dann leiste ich ihm mal bei einem seiner nachmittäglichen Fressanfälle Gesellschaf t … Leider hatte er, während er ein Honigknäckebrot nach dem anderen verschlang, Kopfhörer auf. Als ich es wagte, mir den von ihm gebunkerten Honig zu nehmen, rollte er mit den Augen: » Absolvo te. «
    Von wegen. Als ich später auf meiner Matratze saß, Yellow Submarine hörte, im Atlas blätterte und mir die Depressionen, Gegenden auf der Welt, in denen der Meeresspiegel unter Normalnull lag, anschaute, stürmte Falk in mein Zimmer.
    »Kannst du mal dieses Ikea-Gedudel abstellen?«
    Wütend fuhr ich herum. »Was willst du, du bekiffter Sack?«
    »Mein T-Shirt!«
    »Habe ich nicht!«
    »Ac h … wirklich nicht?« Ohne mich zu fragen, ging Falk an meinen Schrank und rupfte wahllos Klamotten heraus. Bald lag ein riesiger Berg auf dem Boden, in dem Falk herumwühlte.
    Ich kochte. Dann legte ich das Weiße Album auf und setzte die Plattennadel auf Helter Skelter . Von hinten trat ich an meinen Bruder heran. Mit einem Fuß stand er auf meinem hellblauen Wollpulli mit den Nilpferden, den Wiebke mir gestrickt hatte. Ich ging noch näher an Falk heran und gab ihm einen kräftigen Arschtritt . And I go and I turn and I do it aggggggggaaaaaain! dröhnten die Beatles . Sie konnten härter als die Stones sein, Helter Skelter war eine frühe Form von Punk. Von wegen Ikea-Gedudel.
    Falk, der Riese, war vornüber gefallen und hielt sich diePobacke, er schnappte nach Luft. »Sag mal, spinnst du, Jule?«
    »Ich frage mich, wer hier spinnt, du hängst dein Geschlossen -Schild tagelang an die Tür und latschst hier rein wie durch ’ne Fußgängerzone!« Der Spruch mit der Fußgängerzone war mir in Fleisch und Blut übergegangen.
    »Du hast das Ding sowieso nicht«, murrte Falk, stapfte stirnrunzelnd aus meinem Zimmer und hinterließ einen Berg zerwühlter Klamotten. Ich setzte die Plattennadel zurück und warf mit zackigen Bewegungen zu Helter Skelter meinen Krempel in den Schrank.
    Falk und ich würdigten uns beim Abendbrot keines Blickes. Er aß die letzte Scheibe Cervelatwurst, im Gegenzug leerte ich das Honigglas.
    Klaus und Wiebke ignorierten uns und besprachen, wie unsere Sommerferien aussehen sollten. Es war zwar erst März, aber Wiebke und Klaus, die sich über elendig lange Bürokratiewege und »deutsche Planungswut« aufregen konnten, buchten unsere Ferienquartiere immer mehrere Monate im Voraus. Leider fuhren wir nie wie der Hauser nach Ibiza oder »auf die Kanaren«, nein, wir fuhren mit unserem alten Scirocco an die Nordsee, nach Dänemark oder Frankreich. Nordfrankreich, versteht sich. Diesmal sollte es in die Bretagne gehen.
    Missmutig rührte ich in meinem Kakao: »Manno, ich will endlich mal fliegen! Die Leute aus meiner Klasse fliegen jedes Jahr sonst wohin. Larissa war über Weihnachten auf den Malediven. Nie fliegen wir!«
    Wiebke warf mir einen genervten Blick zu: »Du hast einfach immer noch keine Vorstellung von Geld, und so jemand will erwachsen werden, Jule, vier Flüge auf die Malediven, das können wir uns nicht leisten, da kannst du dir ein halbes Auto von

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