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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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bekommst du eines mit dem Schriftzug I love Maggie , nein: Luv ya, Maggie! «
    »Das gibt es nur noch in deiner Größe, Klaus, in Small.«
    Wiebke hatte für Klaus jedoch eine gute Nachricht parat: Sie hatte Herrn Kanz abgesagt. Ich war dabei gewesen.
    Herr Kanz hatte die Augen verdreht und zu Wiebke gemeint: »Ihr seid doch Kunstkenner, gerade bei solchen Leuten hätte ich mehr Kooperation erwartet.«
    Wiebke hatte süffisant gegrinst: »An mir lag es nicht.«
    Am nächsten Morgen beim Frühstück wollte ich mit meinen Eltern über Pinochet sprechen; mein kurzes Gespräch mit Herrn Adán hatte mich noch nachts beschäftigt. Zu Pinochet hatten sie doch sicher, wie zu allem, viel zu sagen.
    Als ich in die Küche kam, sah ich schon an den Mienen meiner Eltern, dass ein Gespräch über so etwas (Berlin-)Fernes, Entlegenes wie Chile keine Chance haben würde. Sie klebten am Radio.
    »Heute vor zwei Jahren ist das Dach der Kongresshalle im Tiergarten eingestürzt«, sagte Wiebke mit tonloser Stimme. Klaus guckte betrübt auf die Tischplatte. »Das war ein furchtbares Bild, die eingedrückte Decke, dabei war das doch eine architektonische Meisterleistung und ein Wahrzeichen von Berlin.«
    »Der Osten hat den Einsturz als Symbol gewertet«, murmelte Wiebke.
    »Wie meinst du das?«, fragte ich verwundert.
    »Die Kongresshalle wurde in den Fünfzigern auch als ›Leuchtturm der Freiheit‹ bezeichnet und sollte die Werte des Westens nach Osten hin ausstrahlen. Deswegen wurde die Kongresshalle auf einen künstlichen Hügel gesetzt, damit man ihre Konturen auch aus dem Ostteil Berlins erkennen konnte«, belehrte mich Klaus.
    »Welche Werte denn?« Immer diese Wertediskussion.
    »Konsum, Fressen, Saufen, vor der Glotze hängen, Ich will Spaß höre n …« Falk grinste.
    »Meinungsfreiheit zum Beispiel!«, schimpfte ausgerechnet Klaus, der sich ständig über die Springer-Presse aufregte und der Meinung war, sie sollte verboten werden, nur weil sie nicht sein Weltbild spiegelte.
    »Und welche Werte soll dann der schöne Fernsehturm vom Alex zu uns rüberstrahlen?«, fragte ich. Und wurde ignoriert.
    Ich erinnerte mich an den Einsturz des Kongresshallendachs: The Wiebkes and the Klauses waren außer sich. Die Kongresshalle ist eingestürzt! Wenn das kein Symbol ist! Sie kauften einen Haufen verschiedener Zeitungen, sogar Springer-Erzeugnisse, die sie beim Telefonieren mit Freunden zerfledderten, was zu hektischen Suchattacken nach den richtigen Artikeln mit unters Ohr geklemmtem Hörer führte.
    Ich fand’s ja auch schade. Die Halle sah doch lustig aus mit ihrem Beatles -Haarschnitt, wie Klaus immer sagte. Aber Klaus und Wiebke taten so, als sei der Petersdom, der Louvre oder das World Trade Center eingestürzt. Mit dem 1979 eröffneten ICC , das viele Leute sehr futuristisch fanden und daher »das Raumschiff« nannten, hatten sie sich nie recht anfreunden können. Wiebke, weil sie es zu groß und zu technoid fand. Klaus, weil er es für solch ein neues Bauvorhaben nicht groß und gewagt genug fand.
    Und jetzt saßen beide schweigend mit einer Tasse kalt werdenden Kaffees in der Hand vorm Radio und lauschten mit gesenkten Köpfen einem Report über diesen Vorfall vor zwei Jahren. Zum ersten Mal erschienen Wiebke und Klaus mir alt.
    Nachts stand ich am Fensterbrett und schaute in den Hof. Kein orangefarbenes Viereck, kein Hause r … Ich schloss die Augen. Der Hauser mit seiner Lederjacke und den langen, braunen Locke n … Doch ein anderes Bild drängte sich mir stärker auf: Herr Adán mit seinen eleganten weißen Hemden und dem akkuraten Scheitel. Der Hauser, der mich selbstverständlich duzte, und der Adán, der mich selbstverständlich siezte. Klaus hingegen sagte: »Das ist Julika« oder »Das ist meine große Tochter« oder »Das ist Wiebkes und mein Kind « – jedes Mal kam etwas anderes dabei heraus. Manchmal auch schreckliche Formulierungen wie: »Das ist unsere Julika.«
    Während ich herumgrübelte, hörte ich von unten das Klappern der Mülltonnen. Sie klapperten und klapperte n … war ich eingenickt? Draußen grölte jemand: »Lieba’n Bauch vom Saufen als’n Puckel vom Abeeten«, dann sah ich Fred mit Frau Koderitz.
    Am nächsten Tag lag ich nach der Schule auf Falks Hochbett; er rauchte, ich aß Gummibärchen und trank Florida Boy Orange, ein Getränk, von dem Wiebke »nichts hielt«, weshalb ich es vorzugsweise in Falks oder meinem Zimmer konsumierte. Warum es noch ungesünder als Ahoj-Brause sein sollte,

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